Mit Urteil vom 19.02.2019 – Aktenzeichen 9 AZR 541/15 – hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass der Anspruch eines*r Arbeitnehmer*in auf bezahlten Jahresurlaub in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres erlischt, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfall-fristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Letztes Jahr sind mit Ablauf der Übertragsfrist für Resturlaube aus 2017 am 31.03.2018 538 Urlaubstage von Beschäftigten verfallen. Dieses Jahr haben wir vor dem Hintergrund des aktuellen BAG-Urteils der Geschäftsführung Mitte März dringlichst empfohlen, den Übertragszeitraum für Resturlaube aus 2018 über den 31.03.2019 hinaus mindestens bis zum 30.06.2019 zu verlängern. Diesem Anliegen ist die Geschäftsführung nun nachge-kommen und hat uns gegenüber angekündigt, die betroffenen Beschäftigten darüber entsprechend in Kenntnis zu setzen.
Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung
Im November 2018 hatte der europäische Gerichtshof in einem vom Bundesarbeitsgericht vorgelegten Rechtsstreit entschieden, dass der europarechtlich vorgeschriebene Mindest-urlaub von vier Wochen am Jahresende bzw. am Ende des Übertragungszeitraumes nicht alleine deshalb verfallen darf, weil der*die Arbeitnehmer*in ihn nicht beantragt bzw. genommen hat (Urteil des EuGH vom 06.11.2018, C-684/16)
Grundlage ist hier Art. 7 Abs. 1 der europäischen Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG, die den Arbeitgeber verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der*die Arbeitnehmer*in zumindest den vierwöchigen Urlaubsanspruch realisieren kann.
Konsequenzen für die betriebliche Praxis
Das Bundesarbeitsgericht führt unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs aus, dass der Arbeitgeber angehalten sei, „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun“. Der Arbeitgeber habe klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt.
Es wird insofern zukünftig – auch auf betrieblicher Ebene – zu klären sein, was die diesbezüglichen Anforderungen an den Arbeitgeber sind. Wann ist eine Mitteilung rechtzeitig und wann ist sie klar und eindeutig genug? Von der Geschäftsführung kamen diesbezüglich schon Signale, dass dies u.U. letztendlich nur am Arbeitsgericht zu klären sein wird.
Artikel zum Thema:
BAG: Arbeitgeber muss vor Verfall von Urlaub warnen (BUND-Verlag – 20.02.2019)
Urlaubsanspruch verfällt nicht automatisch (Wirtschaftswoche – 19.02.2019)
Was Arbeitgeber jetzt wissen müssen (Legal Tribune Online – 20.02.2019)