Opazität (lateinisch opacitas „Trübung, Beschattung“) bezeichnet allgemein das Gegenteil von Transparenz, also mangelnde Durchsichtigkeit bzw. mangelnde Durchlässigkeit.
Transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen
Neuregelungen ab dem 01.08.2022
Bundestag und Bundesrat haben ein Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen (Richtlinie EU 2019/1152) verabschiedet. Das Gesetz ist zum 01.08.2022 in Kraft getreten und bringt zahlreiche arbeitsrechtliche Änderungen im Nachweisgesetz und anderen Gesetzen mit sich.
Auf der Betriebsversammlung im Oktober hatten wir einen aktuellen Beitrag zum Thema. Uns ging es insbesondere darum, die durch die zwingende Umsetzung der EU-Richtlinie in nationale Gesetzgebung und i.d.F. vor allem auch notwendige betriebliche Praxis zu thematisieren: ergeben sich dadurch eventuell Vorteile für die Beschäftigten durch die Bestimmung und Festlegung ihrer Arbeitsverhältnisse und Arbeitsbedingungen? Baut es Grauzonen, Ambivalenzen und Unklarheiten ab, die sich gewöhnlich zum Nachteil der Beschäftigten auswirken?
Es war uns bewusst, dass hinsichtlich der Rahmenbedingungen der Nachweispflichten keine Mitbestimmung seitens des Betriebsrats besteht, sondern derlei Rechte und Ansprüche nur individuell zu erstreiten und durchzusetzen sind. Insofern war unser Interesse, die Beschäftigten in der Sache zu befähigen, ihre Ansprüche geltend zu machen.
Was die betriebliche Umsetzung betrifft, ist es eine zähe Angelegenheit. Exemplarisch sei aus einem Protokoll der monatlichen Sitzung des Betriebsrats mit der Geschäftsführung zitiert, wo es zum wiederholten Male hieß:
Der BR fragt nach den aktuellen Bearbeitungsstand. Die GF teilt mit, dass die Bearbeitung immer noch nicht abgeschlossen sei. Der BR weist darauf hin, dass die Regelung bereits seit dem 01.08.22 gelte und die GF sich hier rechtlich angreifbar mache. Die GF weist dies von sich, da aufgrund des HTV und der bestehenden Betriebsvereinbarungen die Arbeitsbedingungen bereits gut verschriftlicht seien. Der BR entgegnet, dass dies zwar auf die Altbeschäftigten zuträfe, sie jedoch im Hinblick auf die Neueinstellungen die Pflicht habe, die Arbeitnehmer:innen über ihre Arbeitskonditionen in schriftlicher und leicht zugänglicher Form zu informieren und sich somit durchaus rechtlich angreifbar mache. Die GF will die Rechtsanwältin bei der Ausarbeitung entsprechend unterstützen. Nach Bearbeitung gehen dem BR, wie bereits verabredet, die ausgearbeiteten Unterlagen zu.
Meanwhile
Anbei die wesentlichen Fragmente des Beitrags auf der Betriebsversammlung im Oktober 2022
Im wesentlichen wird die Richtlinie durch Änderungen des Nachweisgesetzes (NachwG) umgesetzt, hat aber auch Änderungen anderer Gesetze zur Folge. Diesbezüglich weitere relevante Gesetze:
- Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) in Bezug auf Leiharbeitsverhältnisse
- Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) in Bezug auf Teilzeitbeschäftigung, Befristungen und Arbeit auf Abruf
- Berufsbildungsgesetz (BBiG) in Bezug auf Ausbildungsverträge
- Gewerbeordnung (GewO) in Bezug auf verpflichtende Fortbildungen sowie auf Kosten & Arbeitszeit
Das Nachweisgesetz
Ein Arbeitsvertrag unterliegt der Formfreiheit und kann insofern mündlich oder schriftlich abgeschlossen werden. Sein Zustandekommen und seine Wirksamkeit sind nicht von der Einhaltung einer bestimmten Form abhängig. (§ 105 GewO)
Aber: Im Juli 1995 trat das Nachweisgesetz in Kraft. Das hat zur Folge, dass bei nicht schriftlich geschlossenen Verträgen der Arbeitgeber gemäß § 2 NachwG verpflichtet ist, spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem*der Arbeitnehmer*in auszuhändigen.
Zur Differenzierung: es geht um die schriftliche Niederlegung der geltenden Arbeits-vertragsbedingungen, nicht um deren (unmittelbare) Änderung.
Grundsätzliche Definitionen
- Der Nachweis ist eine schriftliche Mitteilung des Arbeitgebers über die geltenden Arbeitsbedingungen, er ersetzt nicht den eigentlichen Vertragsabschluss.
- Es handelt sich gerade nicht um einen Vertrag, sondern lediglich um eine einseitige Wissenserklärung des Arbeitgebers.
- Eine abweichende Angabe im Nachweis ändert den Arbeitsvertrag nicht, Änderungen im Arbeitsvertrag können nur einvernehmlich oder durch Änderungskündigung erfolgen.
- Der Verweis auf geltende Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge reicht als Nachweis aus.
- Bei bestimmten Sachverhalten ist der Verweis auf die gesetzlichen Regelungen ausreichend.
Über welche Arbeitsbedingungen muss ein Nachweis geführt werden?
In § 2 Nachweisgesetz (NachwG) waren bereits vor dem 01.08.22 folgende Angaben als Mindestanforderung definiert:
- Name und Anschrift der Vertragsparteien
- Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses
- Bei befristeten Arbeitsverhältnissen: Dauer der Befristung
- Arbeitsort bzw. Hinweis auf verschiedene Arbeitsorte
- Kurze Charakterisierung oder Beschreibung der Tätigkeit
- Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich Zuschläge, Zulagen, Prämien und Sonderleistungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts
- Vereinbarte Arbeitszeit
- Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs
- Kündigungsfristen
- Hinweis auf anzuwendende Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge
Ab dem 01.08.2022 neu hinzugekommen ist:
- Bei Befristung (siehe 3.): Enddatum oder Dauer der Befristung
- Arbeitsort: Falls zutreffend: Hinweis auf Möglichkeit der freien Ortswahl (siehe 4.)
- Sofern vereinbart: Dauer der Probezeit
- Zusammensetzung des Entgelts (siehe 6.): ergänzt um Überstundenvergütung; getrennte Angabe der Vergütungsbestandsteile, Fälligkeit sowie Art der Auszahlung
- Vereinbarte Arbeitszeit (siehe 7.): vereinbarte Ruhepausen und -zeiten; bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraus-setzungen für Schichtänderungen
- Bei Arbeit auf Abruf gemäß § 12 TzBfG: die Vereinbarung, dass der*die Arbeitnehmer*in seine*ihre Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat, die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden, der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, und die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat
- Sofern vereinbart: die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen
- Ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildungen
- Wenn der Arbeitgeber dem*der Arbeitnehmer*in eine betriebliche Altersvorsorge über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungs-trägers (die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist)
- Das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage (§ 7 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden) (*1)
- Hinweis auf geltende Vereinbarungen ergänzt um Spezifika kirchlicher Arbeitgeber
(*1) Rechtlich ungeklärt ist, ob der Arbeitgeber schadensersatzpflichtig ist, wenn Arbeitnehmer*in Klagefrist für Kündigungsschutzklage verpasst und vom Arbeitgeber vorab über diese nicht unterrichtet wurde (§§ 4 und 7 KSchG)
Weitere Regelungssachverhalte
- Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form ist ausgeschlossen.
- Der Nachweis muss nicht als einheitliches Schriftstück erbracht werden.
- Bei Änderungen genügt der schriftliche Nachweis über die geänderten Sachverhalte.
Zeitpunkt der Unterrichtung über die maßgeblichen Vertragsinhalte
Bisher:
Der Arbeitgeber hat spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeits-verhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen um dem Arbeitnehmer auszuhändigen. (§ 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG a.F.)
Neu:
Dem Arbeitnehmer ist die Niederschrift mit den Angaben nach Satz 2 Nummer 1, 7 und 8 spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung, die Niederschrift mit den Angaben nach Satz 2 Nummer 2 bis 6, 9 und 10 spätestens am siebten Kalendertag nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses und die Niederschrift mit den übrigen Angaben nach Satz 2 spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen. (§ 2 Abs. 1 Satz 4 NachwG n.F.).
Die Angaben nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis 8 und 10 bis 14 können ersetzt werden durch einen Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommis-sionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen. Ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 11 und 14 die jeweilige gesetzliche Regelung maßgebend, so kann hierauf verwiesen werden. Die Angaben nach Absatz 2 Nummer 2 und Absatz 3 Nummer 1 können ersetzt werden durch einen Hinweis auf konkrete Bestimmungen der einschlägigen Rechts- und Verwaltungs-vorschriften und Satzungen oder Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen. (§ 2 Abs. 4 NachwG n.F.)
Wenn dem*der Arbeitnehmer*in ein schriftlicher Arbeitsvertrag ausgehändigt worden ist, entfällt die Verpflichtung nach den Absätzen 1, 2 und 3, soweit der Vertrag die in den Absätzen 1 bis 4 geforderten Angaben enthält. (§ 2 Abs. 5 NachwG n.F.)
Regelungen für bereits vor dem 01.08.2022 bestehende Arbeitsverhältnisse
Hat das Arbeitsverhältnis bereits vor dem 1. August 2022 bestanden, so ist dem*der Arbeitnehmer*in auf sein*ihr Verlangen spätestens am siebten Tag nach Zugang der Aufforderung beim Arbeitgeber die Niederschrift mit den Angaben nach § 2 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 bis 10 auszuhändigen; die Niederschrift mit den übrigen Angaben nach § 2 Absatz 1 Satz 2 ist spätestens einen Monat nach Zugang der Aufforderung auszuhändigen. Soweit eine früher ausgestellte Niederschrift oder ein schriftlicher Arbeitsvertrag die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben enthält, entfällt diese Verpflichtung. (§ 5 NachwG n.F.)
Änderungen im bestehenden Arbeitsverhältnis
Eine Änderung der wesentlichen Vertragsbedingungen ist dem*der Arbeitnehmer*in spätestens an dem Tag, an dem sie wirksam wird, schriftlich mitzuteilen. Satz 1 gilt nicht bei einer Änderung der auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren gesetzlichen Vorschriften, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen. (§ 3 NachwG n.F.)
Bußgelder (§ 4 NachwG n.F.)
(1) Ordnungswidrig handelt, wer
1. entgegen § 2 Absatz 1 Satz 1 eine in § 2 Absatz 1 Satz 2 genannte wesentliche Vertragsbedingung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig aushändigt,
2. entgegen § 2 Absatz 2, auch in Verbindung mit Absatz 3, eine dort genannte Niederschrift nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig aushändigt oder
3. entgegen § 3 Satz 1 eine Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig macht.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu zweitausend Euro geahndet werden.
Änderungen bei weiteren gesetzlichen Regelungen
Berufsbildungsgesetz (BBIG)
- Siehe § 11 BBIG (Regelungen zur Vertragsniederschrift)
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)
- Die in § 11 AÜG bereits bisher geregelten zusätzlichen Nachweispflichten bei einer Arbeitnehmerüberlassung werden um die Pflicht zum Nachweis über die Identität der entleihenden Unternehmen erweitert.
- Der Entleiher wird nach § 13 a Abs. 2 AÜG verpflichtet, Leiharbeitnehmer*innen die ihm mindestens sechs Monate überlassen werden und die in Textform ihren Wunsch nach Abschluss eines Arbeitsvertrages anzeigen, eine begründete Antwort in Textform innerhalb eines Monats nach Zugang der Anzeige zu übermitteln.
Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)
- Bereits die frühere Rechtslage sah vor, dass Arbeitnehmer*innen, deren Arbeits-verhältnis länger als sechs Monate besteht, in Textform den Wunsch nach einer unbefristeten Stelle oder der Änderung von Dauer und Lage der Arbeitszeit einreichen konnten. Der Arbeitgeber war bislang nur verpflichtet, die Arbeitnehmer*innen über zu besetzende Stellen zu informieren (§ 7 Abs. 2 TzBfG). Mit der Änderung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) besteht nun zusätzlich die Pflicht des Arbeitgebers, auf Wunsch des*der Arbeitnehmer*in innerhalb eines Monats eine begründete Antwort seiner Entscheidung in Textform zu geben (§ 7 Abs. 3 TzBfG)
- Soweit im befristeten Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart wird, muss diese künftig „im Verhältnis zu der erwartenden Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen (vgl. § 15 Abs. 3 TzBfG n.F.).
- Nach der Neuerung in § 12 TzBfG sind zudem bei der Vereinbarung von Arbeit auf Abruf verschiedene Festlegungen zu treffen. Darunter: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Zeitrahmen, bestimmt durch Referenzstunden und Referenztage, festzulegen, in dem auf seine Aufforderung hin Arbeit stattfinden kann (§ 12 Abs. 3 Satz 1 TzBfG).
Kostentragung für Pflichtfortbildungen (GewO)
Im neuen § 111 Abs. 1 GewO wird geregelt, dass Arbeitgeber die Kosten für Pflicht-fortbildungen nicht mehr Arbeitnehmer*innen auferlegen können und insbesondere Fortbildungszeit als Arbeitszeit gilt (§ 111 Abs. 2 GewO)