Arbeit auf Abruf & Personalpolitik
Mitte April hatten wir bereits von aktuellen Änderungen im Teilzeit- und Befristungs-gesetz und dem Umgang des Arbeitgebers mit diesen gesetzlichen Änderungen unter dem Titel „Von der Teilzeitbrücke zur Arbeit auf Abruf“ berichtet. Wir dokumentieren hier einen Beitrag aus der letzten Betriebs-versammlung, der dieses Thema abermals aufgreift, um abschließend einen Bogen zur betrieblichen Personalpolitik zu schlagen.
Die meisten Assistent*innen bei ambulante dienste e.V. haben schriftliche Arbeitsverträge ohne festgelegte Stundenzahl. Das heißt, es gilt zwischen Assistent*in und Arbeitgeber als vereinbart, dass der*die Assistent*in seine*ihre Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat. Gesetzlich wird das als Arbeit auf Abruf bezeichnet.
§12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) schreibt vor, dass diese mögliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in trotzdem eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen muss.
Wenn – wie bei ambulante dienste e.V. bis vor kurzem üblich – keine bestimmte Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit schriftlich festlegt ist, greift wiederum § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG. Das bedeutete bis Ende 2018, dass dann automatisch eine Arbeitszeit von 10 Stunden/Woche als vereinbart gegolten hätte. Diese 10 Stunden wöchentlich hätten theoretisch also immer bezahlt werden müssen und wären am Arbeitsgericht entsprechend einklagbar gewesen.
Nun hat zum 01.01.2019 eine Gesetzesänderung stattgefunden. Die automatisch vereinbarte Arbeitszeit ist von 10 Stunden/Woche auf 20 Stunden/Woche erhöht worden. Assistent*innen, die weniger als 20 Stunden/Woche arbeiten, aber mehr arbeiten möchten und ihre Arbeitskraft entsprechend anbieten, könnten nun per Feststellungsklage am Arbeitsgericht eine entsprechende Vergütung einfordern.
Dieser Anspruch besteht allerdings nur, wenn nichts anderes festgelegt ist.
Seit Anfang dieses Jahres gibt die Geschäftsführung an neu eingestellte Assistent*innen nun eine Anlage zum Arbeitsvertrag heraus, in denen eine wöchentliche Arbeitszeit von 10 Stunden/Woche als vereinbart gilt. Es ist davon auszugehen, dass die betroffenen Assistent*innen i.d.R. wohl mehr als eine Viertelstelle wollen und der Arbeitgeber eigentlich von ihnen auch stillschweigend erwartet, mehr zu arbeiten.
Es gibt also seit 2019 eine Unterscheidung zwischen alten und neuen Assistent*innen. Die alten Assistent*innen könnten 20 Stunden/Woche einfordern, die neuen Assistent*innen hingegen nicht.
Anmerkung: Möglich ist es grundsätzlich immer, die faktische regelmäßige Arbeitszeit, also den Durchschnitt der geleisteten Stunden, als regelmäßiges Arbeitsvolumen vor Gericht geltend zu machen.
Das sind die Fakten. Jetzt könnten wir uns fragen:
- Warum vereinbart die Geschäftsführung jetzt 10 Stunden/Woche und vorher nicht?
- Warum vereinbart die Geschäftsführung nicht die Arbeitszeit, die ein*e Assistent*in gerne arbeiten möchte?
- Warum vereinbart die Geschäftsführung nicht die Arbeitszeit, die laut Personalplanung benötigt würde?
Auffällig ist:
- Erst kann die Geschäftsführung nichts festlegen, was das Arbeitsvolumen der Assistent*innen betrifft, dann kommt eine gesetzliche Änderung und dann kann sie es plötzlich doch.
- Kaum kommt eine gesetzliche Verbesserung, dann handelt die Geschäftsführung und führt eine Verschlechterung ein.
Fazit: Die Geschäftsführung unterläuft die Ansprüche der Beschäftigten.
Auf dem letzten Monatsgespräch mit der Geschäftsführung haben wir konkret nachgefragt, wie die Personalplanung bei ambulante dienste e.V. rechnerisch funktioniert. Aus den Antworten der Geschäftsführung können wir nur ableiten, dass es keine Berechnung gibt, die die zu leistenden Assistenzstunden mit den von den Assistent*innen angebotenen Stundenumfängen abgleicht.
Es werden lieber neue Assistent*innen eingekauft, um aus einem größeren Personalpool schöpfen zu können, als mit dem vorhandenen Personal verantwortlich zu planen. Dass dabei einige Assistent*innen dann hinten runter fallen, scheint Teil der Personalplanung zu sein.