Beschluss des Arbeitgerichts vom 06.01.2016
Geschäftszeichen 56 BV 1684/15
Die ausführliche schriftliche Begründung des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 06.01.2016 liegt nun seit wenigen Tagen vor. Zur Erinnerung: in der Streitsache ging es um die Frage, ob dem Betriebsrat die Mitbestimmungsrechte nach § 99 BetrVG vollumfänglich zustehen, oder ob diese im Sinne des § 118 BetrVG eingeschränkt sind, da es sich bei den Assistent_innen um Tendenzträger handelt und der Betriebsrat insofern bei der Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung dieser Beschäftigtengruppe lediglich ein Informationsrecht und kein Einspruchsrecht hat. Den Volltext findet ihr hier, ansonsten eine kurze Zusammenfassung der Begründung des Arbeitsgerichts:
- Entgegen der Ansicht des Arbeitgebers steht dem Betriebsrat bei der Einstellung von Assistent_innen das Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG vollumfänglich zu.
- § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG steht dem Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG nicht entgegen, da es sich bei den Assistent_innen entgegen der Ansicht des Arbeitgebers nicht um Tendenzträger handelt.
- Die Tendenzverwirklichung muss durch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ernsthaft beeinträchtigt werden, was im vorliegenden Fall nicht gegeben ist.
- Assistent_innen haben keinen prägenden Einfluss auf die Tendenzverwirklichung, es fehlt ihnen hierfür an eigenverantworlichem Gestaltungsspielraum.
- Assistent_innen unterstehen unmittelbar den Einsatzbegleitungen und Pflegefachkräften.
- Sie sind an die Einhaltung der Vorgaben aus den von diesen erstellten Assistenzplänen, Leitfäden etc. gebunden.
- Die Arbeit der Assistent_innen ist vorrangig von Verrichtungstätigkeiten geprägt und unterscheidet sich insofern nicht wesentlich von der Tätigkeit einer „gewöhnlichen“ Pflegekraft.
- Wo ein Gestaltungsspielraum über gesetzliche und pflegerische Vorgaben hinaus verbleibt, unterliegt dieser den Anweisungen der Assistenznehmer_innen und nicht den eigenen Entscheidungen.
- Gegen einen prägenden Einfluss und Gestaltungsspielraum sprechen auch die fehlende Qualifikation und hohe Fluktuation der Assistent_innen. Damit fehlt es ihnen auch an Möglichkeiten, die zu erbringenden Leistungen nach Inhalt selbst zu bestimmen.
- Die Art der Finanzierung sowie die Leistungsabrechnung, in diesem Fall auf Grundlage des LK 32, lässt keine Aussage darüber zu, welchen Einfluss dies auf die Tendenzverwirklichung hat.
- Die eventuelle Möglichkeit zu mehr Zuwendung dem/der Assistenznehmer_in gegenüber begründet noch keinen prägenden Einfluss auf die Tendenzverwirklichung, zumal bei der „herkömmlichen“ Pflege das Maß der persönlichen Zuwendung auch wesentlich von der jeweiligen Pflegefachkraft abhängig ist.
- Auch wenn der Arbeitgeber mit der Übertragung von Anleitung, Einsatzorganisation etc. auf die Assistenznehmer_innen auf einen Teil seiner Direktionsrechte verzichten sollte, hat er diese damit lediglich an die Assistenznehmer_innen delegiert, ohne dass dadurch den Assistent_innen Gestaltungsspielraum gewährt würde.
Ob der Arbeitgeber gegen diesen Beschluss in die Beschwerde vor das Landesarbeitsgericht gehen wird, ist uns zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt.