Während meiner Nachtschicht im Heim mache ich auch Kontrollgänge auf Stationen, auf denen ich eben tagsüber (im Frühdienst oder Spätdienst) nicht arbeite. Beim Dokumentieren stoße ich dann schon mal auf Pflegeplanungen, die eine außerordentliche Auseinandersetzung mit den besonderen Pflegeproblemen zeigen. Da hatte sich jemand viel Arbeit gemacht! Die verschiedensten Pflegekonzepte wurden da reflektiert und der aktuelle Stand der Forschung sollte berücksichtigt werden.
Pfeifen entscheiden über unseren Personalschlüssel
Beim Überfliegen der Doku weiß ich dann aber auch, daß die Mühe bestenfalls nur eine mittelbare Bedeutung im Pflegealltag entfaltet – das besondere konzeptionelle Hintergrundwissen, reflektiert an d i e s e m besonderen Bewohner, wird nicht auf Station weiter-vermittelt: es gibt dann etwa keine Fallbesprechung oder z.B. eine Besprechung der Pflegeplanung im Team.
Solche Pflegeplanungen suggerieren dann aber den Krankenkassen, dass sie Grundlage der Pflege sind…stattdessen sind sie doch nur der Wasserkopf.
Per mail hat uns nun jemand über die absurde Art und Weise der Einstufung einer Bewohnerin in seinem Pflegeheim durch den MDK erzählt.
Falls du nicht in der Pflege arbeitest: die Einstufung der BewohnerInnen im Pflegeheim entscheidet auch über den Personalschlüssel. Je höher die Pflegestufe, desto mehr Personal – soll – eingestellt werden. Grundlage dafür ist natürlich die Dokumentation:
Von der Wohnbereichsleitung wurde dem Kollegen mitgeteilt, daß demnächst der Medizinische Dienst zu einer Bewohnerin käme. Die Bewohnerin hatte die Pflegestufe II und sollte auf die Pflegestufe III angehoben werden. Implizit war klar, was damit auch gemeint war: der Kollege sollte sich mal genauer die Dokumentation anschauen.
Er hat dann die Pflegeplanung – in seiner Freizeit – komplett neu geschrieben und sich erheblich Mühe gemacht, und weil die Bew. stark dement ist, hat er schon beim AEDL1 seitenweise Papier verbraucht.
Als dann die Dame vom Medizinischen Dienst kam, hat sie die Pflegeplanung überhaupt nicht beachtet, auch nicht die Risikobewertungen (Dekubitus, Kontraktur, Sturz, etc.), nicht die Pflegeberichte, nicht die Anamnese, sondern blieb bei den Trinkplänen hängen. Dort fiel ihr dann auf, daß die Bew. an einem Tag statt der sonst aufgeschriebenen Trinkmenge von durchweg 2000ml “nur” 1500ml getrunken hätte.
Woran das denn läge, wurde der Kollege dann gefragt. Und an dem Punkt, meinte der Kollege, hätte er aufpassen müssen, nicht in ein breites, nicht endenwollendes Lachen zu verfallen. “Trinkpläne sind Märchenstunde!”, hätte er am liebsten ausgeprustet und dabei der Dame auf die Schulter geklopft. Der Kollege äußerte, er habe extreme Mühe gehabt, seine Gesichtsmuskulatur so zu kontrollieren, um ernst zu bleiben! Niemand habe die Zeit, mit wirklicher Sorgfalt die tgl. Trinkmenge der BewohnerInnen zu bestimmen: man fülle die Pläne in der Pause aus, so der Kollege. Und andererseits wurde ihm klar, daß hier jemand prüfte, der von der Realität der Pflegeheime keine Ahnung hatte.
Von solchen Leuten hängt dann aber auch unser Personalschlüssel ab…