Beschäftigte der kommunalen Wiesbadener Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken kämpfen gegen geplante Privatisierung
Im Tauziehen um einen Teilverkauf der kommunalen Wiesbadener Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken (HSK) an die Rhön Klinikum AG (RKA) geht der Nervenkrieg unvermindert weiter. So warben am Wochenende wieder Aktivisten eines Aktionsbündnisses um Unterstützung für ein Bürgerbegehren gegen die Privatisierung.
Sie hoffen darauf, bis Anfang April mindestens 6200 Unterschriften zu sammeln und damit einen Bürgerentscheid über den (vorerst auf Eis gelegten) Klinikverkauf erzwingen zu können. Damit hätte die Bevölkerung in dieser Frage das letzte Wort.
Das Stadtparlament hat am 9. Februar mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP den HSK-Teilverkauf an die RKA beschlossen (jW berichtete). Mit Nein stimmten nur die Vertreter von Grünen, Linkspartei und Piraten. Die genauen Inhalte des fast 1000 Seiten umfassenden Vertragswerks bleiben der Öffentlichkeit nach wie vor verborgen.
Allerdings wurde bekannt, daß die RKA als »strategischer Minderheitspartner« mit einem Anteil von 49 Prozent in den teilprivatisierten HSK den entscheidenden Einfluß in der Geschäftsführung und eine absolute Mehrheit in der Gesellschafterversammlung bekommen soll. Langfristig soll Rhön dem Vernehmen nach die HSK komplett aufkaufen können.
Während der größte private bundesdeutsche Klinikkonzern am Wochenende in einer Pressemitteilung die Zuversicht ausdrückte, man werde die HSK-Belegschaft »von den Vorzügen einer Partnerschaft überzeugen« können, gaben sich deren Betriebsrat und Beschäftigte am Wochenende in einer Reportage des Hessischen Rundfunks (HR) und bei Aktionen in der Innenstadt weiterhin privatisierungskritisch.
Die Beschäftigten bangen um medizinische Qualität, Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen, so der HR. Vor Leistungsverdichtungen als Folge von hohen Renditeerwartungen der RKA-Aktionäre und Gewinnabflüssen an den Konzern warnte der HSK-Betriebsratsvorsitzende Michael Drott. Jüngste Meldungen über einen massiven Stellenabbau am bereits vor Jahren von der RKA übernommenen Universitätsklinikum Gießen-Marburg (UKGM) bestärken die Gewerkschafter in ihrer Skepsis.
Am Wochenende freuten sich Aktivisten am zentralen Infostand des Bürgerbegehrens über ein starkes Interesse aus der Bevölkerung und »Unterschriften im Minutentakt«. Es sei nicht schwierig, Passanten zu überzeugen, so eine Gewerkschafterin auf jW-Anfrage. Viele Menschen fragten nur: »Wo kann ich hier unterschreiben?« Einige Bündnis-Aktivisten aus der lokalen ATTAC-Gruppe sowie den Gewerkschaften ver.di und GEW hatten am vorletzten Wochenende auch den Wiesbadener Straßenkarneval als Plattform für ihr Anliegen genutzt. Dabei zog ein elegant gekleideter, stinkreicher Investor mit Zigarre und Zylinderhut die HSK als Beute auf einem Wagen hinter sich her. Eine Fußtruppe von Ärzten, Krankenschwestern und Patienten verteilte Infokarten an die Zuschauer. »Viele Zuschauer signalisierten uns: Die Botschaft ist angekommen. Und unseren Beteiligten hat es obendrein viel Spaß gemacht«, berichtet ein Bündnisaktivist auf der Website www.hsk-pro-kommunal.de.
Unterdessen wollen sich die Privatisierungsbetreiber in CDU und SPD, allen voran der Klinikdezernent und lokale SPD-Unterbezirksvorsitzende Arno Goßmann, mit einem möglicherweise erfolgreichen Bürgerbegehren nicht abfinden. So hat die Stadtverwaltung jetzt beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof Beschwerde gegen das Bürgerbegehren eingelegt. Damit soll in zweiter Instanz ein Beschluß des Wiesbadener Verwaltungsgerichts gekippt werden, der das Bürgerbegehren für zulässig erklärt hatte.
Gleichzeitig geht der Bevollmächtigte des Bürgerbegehrens, Verwaltungsrechtler Gerhard Strauch, in die Offensive und klagt gegen die beschlossene Privatisierung. Nach seiner Auffassung verstößt sie gegen geltendes Recht, weil die Stadt in den Verträgen Einflußmöglichkeiten aller Art und Kontrollrechte aus der Hand gegeben habe.
Weil auch anderswo in Hessen Kommunen Krankenhäuser verkaufen wollen und der Kampf um die HSK wegweisend sein könnte, können die Initiatoren des Wiesbadener Bürgerbegehrens jetzt auch mit Unterstützung von Gewerkschaftern aus dem ver.di-Fachbereich 3 (Gesundheitswesen) aus Krankenhäusern im Rhein-Main-Gebiet rechnen. Dies teilten Gewerkschafter am Rande eines Infostands am Sonnabend mit. Mitte dieser Woche will eine erste Basisdelegation aus dem Rhein-Main-Gebiet in der hessischen Landeshauptstadt demonstrativ Unterschriften für das Bürgerbegehren sammeln.