Internationaler Tag der Geburtshelferinnen. Demonstrationen für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne in ganz Deutschland (Jana Frielinghaus)
Die Bundesrepublik gehört nicht zu den Ländern, in denen es bei einer Geburt um Leben und Tod geht. Dennoch gibt es zunehmende Mängel in der Versorgung von Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerinnen. Der Grund: Immer mehr Hebammen können sich etwa die Betreuung von Hausgeburten oder auch solchen in der Klinik schlicht nicht mehr leisten.
Seit mehr als einem Jahr wehren sich die Geburtshelferinnen gegen die erneute drastische Anhebung der Haftpflichtprämien im Juli 2010 einerseits und kämpfen andererseits um eine Anhebung der seit vielen Jahren stagnierenden Honorare. Ihre im Juni 2010 an den Bundestag übergebene Petition in dieser Sache wurde von weit über 100000 Menschen unterzeichnet. Das Bundesgesundheitsministerium erklärte sich jedoch für nicht zuständig. Er sehe keine politische Handlungsmöglichkeit, sagte Ressortchef Philipp Rösler (FDP).
Das Resultat: Nach Angaben des Deutschen Hebammenverbandes (DHV) bieten rund 15 Prozent der Freiberuflerinnen keine Geburtsbetreuung mehr an. In Baden-Württemberg sind es nach Angaben des Landesverbandes sogar 48 von 124 Kolleginnen, die diese Leistungen nicht mehr übernehmen, also an die 40 Prozent. Viele Frauen insbesondere im ländlichen Raum haben es deshalb immer schwerer, eine Hebamme in der Nähe ihres Wohnortes zu finden.
Den heutigen Internationalen Hebammentag werden deshalb auch in der BRD Tausende nutzen, um erneut auf die miserablen Arbeitsbedingungen in der Zunft hinzuweisen. Sie gehen in zahlreichen Städten für eine angemessene Bezahlung und für eine Rücknahme der Erhöhung der Versicherungsbeiträge auf die Straße. Verlangt wird darüber hinaus ein »bedingungsloses Ja zur normalen Geburt«, also ein stärkerer Einsatz für eine Senkung des im internationalen Vergleich mittlerweile extrem hohen Anteils an Kaiserschnittgeburten, und die freie Wahl des Geburtsortes.
Der DHV konstatiert in den Kreißsälen eher eine »Überversorgung gesunder Schwangerer im medizinisch-technischen Bereich«. Auf der anderen Seite fehlten Hebammen in den Kreißsälen und auf den Wochenstationen, was zu enormer Arbeitsverdichtung für die verbliebenen Frauen führe, betonte Verbandspräsidentin Martina Klenk anläßlich des Aktionstages.
Die soziale Lage der Hebammen ist skandalös. Die Berufshaftpflichtprämie für Kolleginnen, die Geburtshilfe anbieten, liegt seit Juli 2010 bei fast 3700 Euro pro Jahr, was einer Verdreifachung gegenüber 2007 entspricht. 1992 hatte der Beitrag noch bei 179 Euro pro Jahr gelegen. Das Honorar für die Betreuung einer Hausgeburt wurde nach einer Schiedsgerichtsentscheidung in der Auseinandersetzung mit den Kassen im Herbst zwar um rund 100 Euro angehoben und liegt damit jetzt bei 545 bis 637 Euro. Die Erhöhung wurde jedoch auf alle Aufwendungen der Geburtshelferinnen umgelegt, so daß sie nach Berechnung des DHV am Ende lediglich zwei Prozent ausmacht. Bei Geburten im Krankenhaus wurde der Vergütungssatz für die Hebamme lediglich um acht auf 245 Euro angehoben. Das durchschnittliche Bruttojahreseinkommen einer Freiberuflerin liegt nach Angaben von DHV-Pressesprecherin Edith Wolber bei gerade 14000 Euro.
Demonstration in Berlin am heutigen Donnerstag um 16.30 Uhr ab Pariser Platz, Abschlußkundgebung um 18 Uhr auf dem Marheinekeplatz
Liste der Aktionen bundesweit: www.hebammenverband.de