Auf der letzten Betriebsversammlung haben wir im Beitrag zu Abmahnungen – Zusammenfassung folgt – den Punkt gestreift, dass bei Bagatelldelikten der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und soziale Kriterien wie langjährige Betriebszugehörigkeit beachtet werden müssen.
Hintergrund des öffentlichen Interesses ist die große Anzahl an Verdachtskündigungen, die es in letzter Zeit gegeben hat. Der wohl bekannteste Fall, die Kündigung der „Kaisers“-Kassiererin Emmely wegen zwei Pfand-Bons im Wert von 1,30 Euro, wurde letzten Sommer vom Bundesarbeitsgericht (BAG) kassiert.
Begründet wurde dies u.a. damit, „dass eine für lange Zeit ungestörte Vertrauensbeziehung zweier Vertragspartner nicht notwendig schon durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiederbringlich zerstört wird“. In der Kritik stand zudem der Begriff des Vertrauens in seiner verbreiteten Anwendung im Arbeitsrecht an sich, da es sich ja nicht um ein Vertrauens- sondern um ein Vertragsverhältnis handeln würde.
Links zum Nachlesen und Vertiefen:
Materialsammlung_zum_Fall_Emmely_auf_Labournet
BAG_kassiert_Bagatellkündigung
Fall_Emmely_auf_Wikipedia
Vertrag_ohne_Vertrauen
Das Komitee „Solidarität mit Emmely“ schrieb in ihrer Pressemitteilung vom 22.10.2010:
Erfreulicherweise sind seit dem „Fall Emmely“ eine Reihe von Urteilen unterer arbeitsrechtlicher Instanzen gegen Bagatellkündigungen erlassen worden. (…) Da aber immer noch haarsträubende Urteile gefällt werden, tut eine Abschaffung von Bagatell- und Verdachtskündigungen weiter Not. Das BAG argumentiert leider ausdrücklich gegen eine Bagatellgrenze, im parlamentarischen Verfahren sind dazu drei Gesetzentwürfe der Oppositionsparteien, die unterschiedliche Stärken und Schwächen haben. Ihre gemeinsame Schwäche ist jedoch, dass sie sehr wahrscheinlich nicht durch kommen.
Und genau das ist jetzt geschehen, unter den Beschlüssen des Bundestages vom 23.-25.03.2011 findet sich folgendes:
Kündigungsschutz bei Bagatelldelikten wird nicht ausgeweitet: Die Oppositionsfraktionen sind mit ihrem Anliegen gescheitert, die Voraussetzungen für Kündigungen wegen Bagatelldelikten gesetzlich zu verschärfen. Zwei entsprechende Gesetze und ein Antrag wurden vom Bundestag am 24. März abgelehnt. Die SPD-Fraktion hatte in ihrem Gesetzentwurf (17/648) gefordert, den Kündigungsschutz in diesen Fällen auszuweiten. Bei Delikten ”mit nur geringem wirtschaftlichen Schaden“ solle beim ersten Mal ”in der Regel nur einen Abmahnung ausgesprochen werden“, heißt es darin. Nach dem Willen der Linksfraktion sollten Kündigungen aufgrund von Eigentums- und Vermögensdelikten des Arbeitnehmers, die sich auf geringwertige Gegenstände beziehen, ohne vorherige Mahnung nicht möglich sein. Mit ihrem Gesetzentwurf (17/649) wollten sie zugleich Kündigungen aufgrund des Verdachts einer Pflichtverletzung durch den Arbeitnehmer ausschließen. Die Grünen hatten in einem Antrag (17/1986) gefordert, Bagatellkündigungen für Arbeitgeber zu erschweren. Das geltende Gesetz solle dahingehend ergänzt werden, dass in der Regel einer verhaltensbedingten Kündigung eine Abmahnung vorausgehen muss, mit der die Arbeitnehmer ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass bei einem nochmaligen entsprechenden Fehlverhalten eine Kündigung droht. Grundlage der Entscheidung im Plenum war eine Empfehlung des Arbeits- und Sozialausschusses (17/4281).