Zahlen der Bundesagentur für Arbeit: Leiharbeit in Pflegeberufen hat dramatisch zugenommen
Sie verdienen deutlich weniger – und sie werden immer mehr: Zahlen der Agentur für Arbeit belegen, dass die Zahl der Leiharbeiter in Altenheimen und Krankenhäusern in den vergangenen sechs Jahren um 400 Prozent gestiegen ist. Knapp zwei Drittel der Leiharbeiter sind demnach auf ein Gehalt unterhalb der Niedriglohnschwelle gekommen.
„Sie gehen keinerlei Arbeitgeberrisiko ein. Krankheit, Urlaub, Feiertage usw. gehen nicht zu Ihren Lasten, da wir als Arbeitgeber für unsere Mitarbeiter zuständig sind.“ So wirbt ein Personaldienstleister, der Arbeitskräfte an Krankenhäuser und Pflegeheime verleiht, um neue Kunden.
Das Geschäft der Zeitarbeitsfirmen läuft derzeit prächtig. Fachkräfte aus den Gesundheits- und Pflegeberufen werden dringend gesucht, auch als Leiharbeiter. Wie sehr, zeigen neue Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA), die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Demnach hat sich die Anzahl der verliehenen Pflegekräfte von 2005 bis 2011 um mehr als 400 Prozent auf etwa 16.350 erhöht.
Dies geht aus einer Antwort der Behörde auf eine Anfrage der linken Bundestagsabgeordneten Sabine Zimmermann hervor. Die Politikerin fragte auch nach, wie viel diese Leiharbeiter verdienen. Das Ergebnis: Der Durchschnittslohn lag bei nur etwa 1600 Euro brutto im Monat.
Knapp zwei Drittel der Leiharbeiter kamen auf ein Gehalt unterhalb der bundeseinheitlichen Niedriglohnschwelle, die für einen Alleinstehenden bei 1802 Euro liegt. Der Durchschnittsverdienst im Gesundheits- und Sozialwesen betrug Ende 2010 dagegen 2456 Euro brutto im Monat.
Zimmermann hält dies für „bedenklich“. Teile der Gesundheits- und Pflegebranche sähen das Personal „ausschließlich als belastenden Kostenfaktor, den es möglichst klein zu halten gilt“. Der Anstieg der Leiharbeit in Kliniken und Pflegeheimen sei ein „deutlicher Hinweis auf die voranschreitende Unterfinanzierung dieses Bereichs“. Die eigentlichen Verlierer seien dabei „am Ende die Patienten und die betreuten Menschen“.
Die Nürnberger Bundesagentur merkt dagegen an, dass Leiharbeit in der Pflege angesichts von knapp 2,8 Millionen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Gesundheitsbereich – auch im Vergleich zu anderen Branchen – „bislang quantitativ eher gering ausgeprägt“ sei.
Die BA erwartet aber, dass die Leiharbeit in der Pflege weiter wächst, weil sie „einen Beitrag zur Bekämpfung des drohenden oder in Teilen bereits existierenden Fachkräftemangels darstellt“.
Das Institut für Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen rechnet ebenfalls damit, dass Krankenhäuser und Altenheime immer häufiger auf Leiharbeiter zurückgreifen werden. Das liege vor allem am fehlenden Geld für neue Planstellen. Die Personaldecke sei nach den Stellenkürzungen der vergangenen Jahre oft so dünn, „dass schon einzelne krankheitsbedingte Ausfälle die Personalplaner regelmäßig in Bedrängnis bringen“, schreiben die Forscher des IAT. Manchmal setzten die Einrichtungen sogar Leiharbeiter ein, „damit das Stammpersonal überhaupt dazu kommt, Urlaub zu nehmen oder Überstunden abzubauen“.
Nach den Erkenntnissen des Instituts wollen Kliniken und Altenheime mit Leiharbeit aber auch Kosten sparen. Sie seien „oft billiger, weil sie nur für die tatsächlich geleistete Arbeit bezahlt werden müssen, nicht aber bei Krankheit oder wenn gerade kein Bedarf besteht“.
Leiharbeiter erfüllen „eine Feuerwehrfunktion“
Die Arbeitnehmerkammer Bremen kommt in einer Studie zu ähnlichen Ergebnissen: Da die Personaldecke meist abgenommen habe, erfülle die Leiharbeit im Pflegebereich „eine Feuerwehrfunktion“.
Außerdem werde so die Suche nach Fachkräften erleichtert, wenn geeignete Leiharbeiter als eigene Arbeitnehmer übernommen werden könnten. Trotzdem kritisiert die Kammer: Leiharbeit werde auch genutzt, um Kosten zu senken, etwa indem Einrichtungen Tochterfirmen gründen, die Leiharbeitskräfte an die eigenen Häuser verleiht.
Laut der Studie gibt es auch gut ausgebildete Pflegekräfte, die sich bewusst für die Leiharbeit entschieden haben. Diese werden für ihren flexiblen Einsatz „gut bezahlt“. Außerdem könnten sie weitere Vorteile in Anspruch nehmen und zum Beispiel ihre Arbeitszeiten beeinflussen. Die Forscher kommen zu dem erstaunlichen Schluss: „Zum Teil arbeiten sie daher unter besseren Bedingungen als das fest angestellte Personal.“