Heute mal ne andre Tour…featuring: Thank God, mein Navi funktioniert!

Normalerweise sollte man in der ambulanten Pflege meist die gleiche “Tour” fahren: eine nach Kundenwünschen (gewünschtes Zeitfenster), logistischen und pflegerischen Gesichtspunkten geplante Route. Wie stationär, so soll eben auch hier die personelle Kontinuität die Begegnung im Rahmen der “Bezugspflege” ermöglichen.

Die Kunden wollen vorallem, daß sie in der Woche bekannten Gesichtern begegnen – und nicht schlimmstenfalls jedem Tag einer anderen Schwester.

Heute mal ne andre Tour

Ein Gesichtspunkt pflegerischer Qualität wäre dann auch hier, daß Entwicklungen, Krankheitsverläufe, etc. in der Zeit genau verfolgbar, Ziele und Maßnahmen gut abgestimmt planbar und durchführbar sind.

Immer wieder passiert es aber, daß man morgens vor Dienstantritt auf eine Tour blickt, die einem völlig fremd ist. Nicht nur, dass die optimalen Fahrtwege unbekannt sind, ebenso die Patienten. Das ist das erste Stressmoment an diesem Tag – viele weitere werden folgen…

Es beginnt dann schon mal mit einem Stau, den man leicht hätte umfahren können, wenn man die Tour kennen würde. Zu spät erscheint man beim ersten Patienten und für den ist es erstmal ein Überraschungsmoment. Sekundenlang wird man zunächst gescannt (Was ist das für eine?). Schließlich laesst sich der Patient auf einen ein, mangels Alternative an diesem Tag…..Dann hängt es von einem selber ab, ob der Kontakt gelingt. Denn auch hier gilt es, einige Klippen zu umschiffen: jeder Erstkontakt ist ein Eindringen in den privaten Bereich (auch der Wohnung) des “Kunden”.

Manche Patienten oder Angehörige können da heftig neurotisch reagieren, Merkwürdigkeiten im Verhalten sind nicht selten; Hintergrund ist immer das Bedürfnis nach Kontrolle in einer neuen, unbekannten Situation…

Vorsichtig sollte also bei nahezu jedem Schritt nachgefragt werden (“Darf ich das Licht anmachen? Kann ich meine Tasche hier hinlegen?). Dem Kunden bzw. Angehörigen bloß das Gefühl geben, dass er die Situation beherrscht!!

Kennt man Patienten oder Angehörige länger, kann man hingegen Verhalten einordnen, vertrauter und selbstsicherer reagieren.

Der nächste Stressmoment wird dann die Doku sein….Zwar ist man mitunter überrascht, wie gut eine Doku ist; wie gut sie als Handlungsanleitung dienen kann. Aber nur allzu oft sieht es einfach anders aus: es fehlen Unterlagen oder sie sind nicht aktuell (“Schwester Beate tut mir aber immer 2 gelbe Tabletten geben”).

Und bei den Überstunden, die in der Regel alle Kolleginnen bei Personalmangel vor sich her schieben, ist das auch kein Wunder! Niemand setzt sich dann nach Tourende gerne hin, und arbeitet noch Stunden an der Doku – noch dazu, wenn es kaum richtig bezahlt wird…

Und weil man nun dann die Gegebenheiten vor Ort nicht kennt, muss man oft zunächst sämtliche Sachen, die man braucht, erfragen und zs.suchen. Insbesondere bei zunehmend dementen Patienten braucht es da erheblich Fingerspitzengefühl, weil so etwas zusätzlich nervös machen kann. Am besten ist es, wenn man dann in der direkten Pflege den Patienten immer wieder fragt, was er wünscht. (“Ist das so in Ordnung?”). Sowieso wird man vom Patienten aufmerksam begutachtet; Auftreten und einzelne Handlungen können jetzt Vertrauen fördern oder mindern. (“Der Pfleger macht den Verband aber anders als Sie!”).

Man begegnet also auf Schritt und Tritt organisatorischen Unwägbarkeiten, mit Rückwirkungen auf die zarte Pflegebeziehung.

Ein konfliktreicherer Umgang unter uns Kolleginnen ist dann die Folge, wenn unterschiedliche Pflegepraktiken nicht-standardgemäße Pflegearbeit offenbaren….(“Die Claudia wechselt aber zwischendurch nie die Handschuhe.”). Sowas sollte nicht über den Kunden sichtbar werden, sondern unter uns Kolleginnen geklärt werden.

Jedenfalls: So geht es den ganzen Tag lang weiter – von Patient zu Patient. (“Die anderen kommen aber alls früher als Sie.”) Woran liegts, daß sowas immer wieder vorkommt?

Gut, die PDL hat dann schon mal so ausweichende Antwort parat (“Du, die Heike hatte sich doch krank gemeldet und wir sind im Moment so wenige.”) Aber kann man nicht vorher sagen, was für eine Tour einen erwartet. welche Patienten? Warum gibt es dann nicht eine als Arbeitszeit berechnete Übergabe von einer Kollegin, die die Tour kennt? Oder gar: das man vorher mal in die Tour eingearbeitet wird, indem man mit der Kollegin zs. fährt?

Es ist einfach schlechte Planung von Leitungen

Warum hat man beständig das Gefühl, das die Personalakquise nicht im allerersten Focus der Betriebe steht? Die Frage, wie die Arbeit für potentielle Kolleginnen attraktiv ausgestaltet werden kann? Wie kann auch ein Betieb für neue Kolleginnen anziehend wirken, wenn das Personal in Überstunden verheizt wird, oder die Bezahlung mies ist, oder man kurzfristig immer wieder Touren fahren muss, die man nicht kennt?

Kurzfristige Krankmeldungen gibt es immer wieder – aber es kann einfach nicht sein, daß einem fremde Touren dann gleich so einen Stress auslösen müssen.

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