Druck am Arbeitsplatz nimmt stetig zu
Schöne neue Arbeitswelt oder Stress ohne Ende? Der Aufschwung in 2011 hat für viele neue Jobs gesorgt. Doch humaner geht es in den Betrieben deshalb nicht zu. Im Gegenteil: Stress und Leistungsdruck haben weiter zugenommen. Zu diesem Ergebnis kommt der DGB-Index Gute Arbeit.
Druck am Arbeitsplatz nimmt zu
Ein verlässliches Einkommen. Ein sicherer Arbeitsplatz. Gesundheit und eine Arbeitszeit, die es möglich macht Job und Familie miteinander zu vereinbaren – diese Wünsche stehen weit oben auf der Agenda der Beschäftigten. Doch die Arbeitswelt ist kein Wunschkonzert. Auch wenn sich viele Beschäftigte Gute Arbeit wünschen, der Aufschwung in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt hat für viele Menschen die Situation nicht verbessert. Für die, die einen Job haben, steigen die Belastungen und der Arbeitsdruck nimmt zu. Für die, die ohne Job dastehen, steigt ebenfalls der Druck. Nicht selten geht es für sie dann nur noch darum, überhaupt einen Job zu finden, egal welchen.
Tatsächlich zeigt sich der Arbeitsmarkt gespaltener denn je: Die Arbeitslosigkeit sinkt, doch dieser Erfolg hat einen hohen Preis. Reguläre, einst sichere Arbeitsplätze werden in wacklige Jobs umgewandelt, in unfreiwillige Teilzeit-, Mini- und Midijobs, Werkverträge oder in Leiharbeit. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes entstanden 2010 drei von vier neuen Jobs in solchen atypischen Beschäftigungsverhältnissen.
In den Unternehmen führt das zu einer Spaltung der Belegschaften. Es gibt Beschäftigte erster, zweiter und dritter Klasse. Viele haben Angst vor Jobverlust oder vor einer Schlechterstellung. Oft werden schlechte Arbeitsbedingungen einfach akzeptiert. Mit dem DGB-Index Gute Arbeit wird einmal jährlich die Qualität der Arbeit und die Arbeitsbedingungen am Urteil der Beschäftigten gemessen. Dazu werden bundesweit Repräsentativbefragungen durchgeführt.
Wechselwirkungen zwischen Arbeit, Armut und Gesundheit
Fakt ist, dass sich mit dem Rückgang der Arbeitslosigkeit und der Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse auch die Situation in den Betrieben verändert hat: Belastungen steigen, Arbeitszeiten verlängert, Taktzeiten kürzer und die Leistungsanforderungen höher. Die Befragung im Rahmen des DGB-Index Gute Arbeit 2010 klärt auf: Zwei von drei Beschäftigten klagen über starken Zeit- und Termindruck. Zu den weiteren Top Ten bei den Belastungen am Arbeitsplatz gehören das hohe Arbeitsvolumen und der hohe Verantwortungsdruck. Das führt dazu, dass viele Beschäftigte chronisch erschöpft sind. Viele leiden unter Burnout, Depressionen oder psychischen Störungen. Tatsächlich versuchen die Unternehmen nach der Krise aus weniger Personal mehr Arbeitsleistung herauszuholen.
Stress, Druck und Unsicherheit machen krank. Das erkennen die Unternehmen nur sehr zögerlich. Zu einer Umkehr der Managementstrategien führt diese Erkenntnis bisher kaum. Nach der Devise: Möglichst viel Leistung bei möglichst niedrigen Kosten strukturieren die Firmen Abläufe um oder führen neue Produktions- und Managementkonzepte ein. Nicht der Mensch steht im Mittelpunkt, sondern allein der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens.
Arbeit darf nicht krank machen
Gesundheitsschutz und Gute Arbeit sind wichtige Bezugspunkte für die IG Metall und die Interessenvertretungen in den Betrieben. Maßstab bei der Gestaltung von Arbeitsbedingungen ist für die IG Metall der Mensch. Zu Guter Arbeit gehören deshalb Arbeitsbedingungen,
- die Gesundheit, körperliches und soziales Wohlbefinden stärken,
- die nicht oder wenig körperlich und psychisch belastend sind,
- alters- und alternsgerecht gestaltet sind,
- die gleichberechtigte Teilhabe sicher stellen,
- die unsichere und diskriminierende Beschäftigungsverhältnisse unterbinden,
- die eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und
- humane Arbeitszeiten ermöglichen.
Gute Arbeit kommt nicht von allein. Die IG Metall hat den Schutz der Arbeitnehmer vor den Folgen von Leistungsdruck und Stress als eine der vorrangigsten Aufgaben im Gesundheitsschutz und in der Arbeitsgestaltung erklärt.
Wir brauchen Schutz vor Stress
Ein Auszug:
Die „Anti-Stress-Initiative“ der IG Metall hat das Ziel, den Schutz vor psychischer Gefährdung in der Arbeit in eine konkrete Verordnungen zu fassen. Das Arbeitsschutzgesetz gibt dafür den Rahmen vor. „Ich fordere Arbeitsministerin Ursula von der Leyen auf, die Schutzlücke bei psychischen Gefährdungen zu schließen“, sagte Hans-Jürgen Urban auf einer Pressekonferenz in Berlin.
Es geht Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, um eine Verbindlichkeit, an die sich Arbeitgeber halten müssen. Da Stress schwerer zu erfassen ist als körperliche Arbeitsbelastungen, zeigte er Beispiele auf. Die Verordnung solle etwa Regeln für Lage und Verteilung von Arbeitszeiten, zum Vorgesetzten-Verhalten, zur Taktung von Arbeitsabläufen oder auch zu Grenzen für Belastung durch Projektarbeit enthalten, sagte Urban.
Siehe auch: Wir brauchen Schutz vor Stress
Statement auf der Pressekonferenz der IG Metall zur Vorstellung des Jahrbuchs ‚Gute Arbeit 2012’ am 24. Januar 2012
Mentale (Steuerung, Überwachung, Koordination, einhergehend mit wachsenden Anforderungen an die Konzentrations‐ und Reaktionsfähigkeit) und psychisch‐emotionale Belastungen (Monotonie, Leistungsverdichtung, Arbeitstempo, Angst um den Arbeitsplatz; soziale Isolation, Stress) haben in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen, und diese Entwicklung hält an und beschleunigt sich noch.
Hervorzuheben sind insbesondere die strukturellen Probleme bei der Umsetzung einer angemessenen Präventionsstrategie: Gerade die Leistungsverdichtung und die Arbeitszeitflexibilisierung sowie die Unsicherheit des beruflichen Status und die Tendenz zur permanenten Ausschöpfung der eigenen Leistungsreserven, die mit der fortschreitenden Erosion des Normalarbeitsverhältnisses einhergehen, gewinnen als gesundheitliche Belastungen immens an Bedeutung, ohne dass sie im Rahmen des betrieblichen Arbeitsschutzhandelns ausreichend thematisiert werden (können).
Statement Prof. Dr. Rolf Rosenbrock
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