Ver.di will die Macht der Pfaffen brechen. In bundesweit »deutlich weniger als zehn Prozent« der kirchlichen Krankenhäuser gelten ordentliche Tarifverträge, so die Gewerkschaft. Das wollen die Beschäftigten nun ändern. Hamburg sieht sich in der Vorreiterrolle. Dort will ver.di in der vierten von sechs evangelischen Kliniken einen Tarifvertrag abschließen. Am Dienstag streikte deshalb die halbe Frühschicht des Albertinen-Krankenhauses – obwohl die Geschäftsführung mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gedroht hatte.
Die Kirchen glauben nämlich, daß die grundgesetzliche Tarifautonomie und Koalitionsfreiheit für sie nicht gelte. Das behaupten auch die drei katholischen Kliniken in Hamburg, deren Bezahlung sich aber am tariflichen Niveau orientiert. Bei der Caritas sei daher der »Leidensdruck nicht so hoch« wie bei der Diakonie, sagte der Hamburger ver.di-Sekretär Arnold Rekittke am Mittwoch gegenüber junge Welt. Man werde sich die christlichen Häuser »eines nach dem anderen vorknöpfen«. Einzig das Israelitische Krankenhaus in Hamburg wende den Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD) an, so Rekittke.
Berno Schuckart von der ver.di-Bundesverwaltung bestätigte im Gespräch mit junge Welt, daß eine bundesweite Kampagne geplant sei. Mit einer Streik- und Aktionswoche wolle man Ende September Druck auf die evangelische Diakonie ausüben. Insgesamt 450000 Menschen arbeiteten dort für spürbar weniger Geld als Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Und das, obwohl die Tätigkeiten in Wohlfahrtseinrichtungen und Kliniken vergleichbar seien.
Die Kirchen verfolgen arbeitsrechtlich den »Dritten Weg«. Sie schließen in der Regel keine Tarifabkommen ab, sondern vereinbaren arbeitsvertragliche Richtlinien. Den konfessionellen Unternehmen säßen am Verhandlungstisch vorwiegend mittlere und leitende Angestellte gegenüber, die zudem weder in der Gewerkschaft noch in der Mitarbeitervertretung (MAV) aktiv sein dürften, erläuterte ver.di-Mann Rekittke.
Der Klerus beruft sich auf die Weimarer Reichsverfassung, die laut Grundgesetz in Kirchenfragen weiter gilt. »Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig«, heißt es im Anhang von Artikel 140. Demnach könne man Arbeitskämpfe verbieten, meinen Diakonie und Caritas. Sie verschweigen aber die zweite Hälfte des Satzes. Ihre Autonomie bewegt sich nämlich »innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes«. Das sehen auch die Gerichte so. Anfang Januar entschied das Arbeitsgericht im nordrhein-westfälischen Hamm, das Gewerkschaften in kirchlichen Einrichtungen sehr wohl streiken dürfen. Im März zog das Hamburger Arbeitsgericht nach.
Trotzdem sah das Albertinen-Krankenhaus in einer Stellungnahme vom Dienstag sein »verfassungsmäßig garantiertes Selbstbestimmungsrecht« durch den Warnstreik gefährdet. Die Klinikleitung signalisierte aber Gesprächsbereitschaft. Bis Ende August gibt ver.di ihr dafür Zeit. Andernfalls legen die Beschäftigten die Arbeit wieder nieder.