Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Beschäftigtendatenschutz sieht einen dramatischen Abbau des Datenschutzes am Arbeitsplatz vor. So kann Videoüberwachung am Arbeitsplatz gegenwärtig nur bei konkretem Verdacht gegen bestimmte Personen als letztes Mittel zulässig sein.
Nach dem geplanten „Beschäftigtendatenschutzgesetz“ könnte jeder Arbeitsplatz hingegen permanent und ohne jeden Anlass videoüberwacht werden.
Minimum data, maximumu privacy
Zudem würde der anlass- und verdachtslose Abgleich von Beschäftigtendaten, um etwaige Pflichtverletzungen aufzuspüren, erstmals legalisiert werden („Screening“). Dies würde großflächige, verdachtsunabhängige Datenabgleiche über alle Beschäftigten zulassen. Derzeit ist ein solches Stochern im Nebel ohne jeglichen Verdachtsmoment verboten.
„Im Ergebnis würden die vorgesehenen Änderungen in zentralen Bereichen des Arbeitslebens eine Verschlechterung des Datenschutzes für die Beschäftigten zur Folge haben“, warnen die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder. Die Gewerkschaften laufen schon seit Monaten Sturm gegen das Vorhaben.
Bundestag will noch mehr Überwachung zulassen
In der Öffentlichkeit nahezu unbekannt ist, dass Union und FDP im Bundestag die Arbeitnehmerüberwachung durch Änderungen an dem Regierungsentwurf noch einmal deutlich ausweiten wollen. Dies geht aus bislang wenig beachteten „Formulierungsvorschlägen“ des Bundesinnenministeriums vom 07.09.2011 hervor:
Danach soll das Fernmeldegeheimnis für private Gespräche und E-Mails am Arbeitsplatz insgesamt abgeschafft werden. Der Arbeitgeber soll auch private Gespräche mithören und E-Mails lesen dürfen – um zu überprüfen, ob sie wirklich privat sind.
Das Mithören dienstlicher Telefongespräche und das Mitlesen dienstlicher E-Mails soll permanent und ständig zugelassen werden, nicht mehr nur stichprobenhaft in vorher mitzuteilenden Zeiträumen. Die permanente Videoüberwachung von Beschäftigten soll ganz allgemein „zur Wahrung wichtiger betrieblicher Interessen“ zugelassen werden.
Der anlass- und verdachtslose Abgleich von Beschäftigtendaten („Screening“) soll nicht mehr nur zur Aufdeckung von Verfehlungen zugelassen werden, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen, sondern auch zum Aufspüren minder schwerer „Pflichtverletzungen“.
Innerhalb von Konzernen soll eine uneingeschränkte Übermittlung von Arbeitnehmerdaten zugelassen werden. Eignungs- und Einstellungstests nach Methoden, die wissenschaftlich nicht anerkannt sind, sollen zugelassen werden.
Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge sollen künftig Vorrang vor den gesetzlichen Überwachungsgrenzen erhalten und dadurch selbst das geringe gesetzliche Schutzniveau gänzlich aufheben dürfen.
Nutzt ein Arbeitgeber seine neuen Spielräume, wird das geplante Gesetz – in den Worten der Datenschutzbeauftragten – „zu einer ständigen Kontrolle der Beschäftigten führen oder den Betroffenen den Eindruck einer umfassenden Überwachung am Arbeitsplatz vermitteln – etwa durch ständige Videoüberwachung oder regelmäßige Aufzeichnung, Mitschnitte oder Mithören von Ferngesprächen“.
Die Gewerkschaften und 3.000 Betriebsräte wollen den Gesetzentwurf stoppen. Die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) bestätigt in dem SWR-Fernsehbeitrag „Ausgespähte Mitarbeiter – Bundesregierung will Chefs das Spionieren erleichtern“ vom 11.10.2011, dass es für Beschäftigte deutlich besser wäre, wenn dieser Gesetzentwurf überhaupt nicht beschlossen würde. Den Namen „Beschäftigtendatenschutzgesetz“ hat er nicht verdient.
Aktueller Stand
Im Bundestag ist der Innenausschuss federführend mit dem Gesetzentwurf befasst. Er könnte die endgültige Fassung schon in der nächsten Woche beschließen.
Wer etwas gegen die drohende Zulassung umfassender Arbeitnehmerüberwachung tun will, sollte sich an seine schwarz-gelben Abgeordneten wenden. Als Textvorlage eignet sich der DGB-Aufruf zum Stopp des Gesetzesvorhabens.
Siehe auch:
Arbeitnehmerdatenschutz – Entwurf für den Mülleimer
Überwachungsstaat BRD – Arbeitnehmerüberwachung