Krankenhausgesellschaft startet Kampagne für Kompensation der Tariferhöhungen und Rücknahme von Kürzungen
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) fordert mehr Geld für die rund 2000 deutschen Kliniken. Um auf die Politik Druck zu machen, nutzt sie auch den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen: Ab heute sollen in dem bevölkerungsreichsten Bundesland Plakate darauf aufmerksam machen, daß allein bei den Personalkosten »eine Finanzierungslücke von einer Milliarde Euro« klafft. Hinzu kommt, daß in der Krise beschlossene Budgetkürzungen trotz hoher Rücklagen im Gesundheitsfonds und bei den Krankenkassen nicht zurückgenommen werden. Dagegen protestieren die Klinikleitungen aus NRW auch mit ungewöhnlichen Mitteln: Für den 25. April mobilisieren sie zu einer Kundgebung in die Düsseldorfer Philipshalle, zu der rund 5000 Teilnehmer erwartet werden.
20 Milliarden Euro Überschüsse haben Krankenkassen und Gesundheitsfonds aufgrund der besseren Wirtschaftsentwicklung mittlerweile angesammelt. Wie dieses Geld verwendet werden soll, ist seit Tagen Gegenstand einer heftigen Debatte innerhalb der Regierungskoalition. Die um ihren Wiedereinzug in den nordrhein-westfälischen Landtag bangende FDP versucht, mit der Forderung nach Abschaffung der Praxisgebühr zu punkten. Von der Unionsspitze, inklusive der Kanzlerin, wird das vehement zurückgewiesen. Der gesundheitspolitische Sprecher der Konservativen, Jens Spahn (CSU), will die Rücklagen statt dessen in Form von Prämien an die Versicherten auszahlen lassen. Dabei wäre das Geld nicht nur nötig, um unsoziale Regelungen wie die Zehn-Euro-Gebühr zu beseitigen. Auch die Kliniken brauchen dringend zusätzliche Finanzmittel. Andernfalls droht jedem dritten Haus die Pleite.
2010 war den Krankenkassen noch ein Defizit von 15 Milliarden Euro prognostiziert worden. Eingetreten ist das Gegenteil. Dennoch wird der seinerzeit gefällte Beschluß, den Krankenhäusern Einsparungen von 1,3 Milliarden Euro allein für die Jahre 2011 und 2012 aufzuerlegen, nicht zurückgenommen. Einem von der DKG in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten zufolge ist die Beibehaltung der Kürzungen trotz des Überschusses verfassungswidrig. »Ohne diese Kürzungen könnten die Kliniken die Tarifsteigerungen halbwegs selbst finanzieren«, erklärte DKG-Präsident Alfred Dänzer in einer Mitteilung.
Die Kosten der von ver.di und Marburger Bund zuletzt erreichten Gehaltsverbesserungen beziffert der Dachverband der Krankenhausbetreiber auf insgesamt rund eine Milliarde Euro.
»Es ist ja richtig, daß die Leute am wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben sollen, aber das muß dann auch finanziert werden«, sagte eine Sprecherin der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen am Montag gegenüber junge Welt. Die Mitgliedsunternehmen seien »stinksauer« darüber, daß die Kostensteigerungen nicht ausgeglichen werden sollen. Hintergrund ist die Deckelung der Krankenhausbudgets, die pro Jahr um maximal 1,48 Prozent steigen dürfen. In der Folge drohe Personalabbau, heißt es bei den Krankenhausträgern. Allein in NRW seien rund 6000 Stellen gefährdet. Ein weiteres Problem ist das Auslaufen des Pflegeförderprogramms, durch das nach DKG-Angaben seit 2009 rund 10 700 Stellen in der Pflege geschaffen wurden. Deren Finanzierung müssen die Kliniken nun selbst stemmen.
Das Programm war seinerzeit eine Reaktion der Regierung auf die von DKG und ver.di organisierten Kampagne »Der Deckel muß weg«, zu deren Höhepunkt im September 2008 rund 130000 Beschäftigte in Berlin auf die Straße gingen.
Dieses Mal sind die Gewerkschaften nicht mit von der Partie. Ver.di plant statt dessen eine Tarifauseinandersetzung zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. So soll verhindert werden, daß die Kliniken die erhöhten Kosten durch Stellenstreichungen auf die Beschäftigten abwälzen.
Eben das hat Dänzer bereits angekündigt, falls keine zusätzlichen Mittel bereitgestellt würden. Die »nunmehr über Jahre anhaltende Kosten-Erlös-Schere« habe in den Kliniken einen »enormen Rationalisierungsdruck« gebracht, sagte der DKG-Präsident und warnte vor der »Freisetzung« weiterer Mitarbeiter. Seit Anfang der 1990er Jahre sind in der Krankenpflege mehr als 110000 Vollzeitstellen vernichtet worden. Vor diesem Hintergrund stellte auch Dänzer fest: »Noch schneller und noch hektischer geht es nicht.«