Ein aktueller Beitrag aus dem Blog pflegelohnarbeit / aus dem alltag der kranken- und altenpflege:
Das tiefe Leiden der Pflegedienstleitung und die
moralische Verpflichtung der Angestellten
Diesmal kam es mir nun wirklich wie ein Ewigkeit vor – und so, als würde es nie enden. Eigentlich banal: wurde von der Pflegedienstleitung angerufen, ob ich an meinem freien Tag für eine erkrankte Kollegin einspringen könne. Mein Nein dazu wurde aber nicht akzeptiert und ich hatte den Eindruck, daß sie sich darauf schon eingestellt hatte. Denn nun wurde die ganze Litanei des Elends der Personalknappheit heruntergebetet: wehklagend, tief jammernd im Ton, beinah schon verzweifelt!
Mein Fehler: ich ging drauf ein, äußerte Verständnis, wollte einfach nicht schroff rüberkommen. Gleich hakte sie nach: “Also kommen Sie morgen?” Völlig überrascht, aber eben nicht überrumpelt von so viel Dreistigkeit verneinte ich dann nochmals; aber die wurde ich einfach nicht los! “Geht es wirklich nicht? Sie haben ja demnächst das freie Wochenende und könnten morgen auch später anfangen!”
Ein Duell aus Gejammer und Wehklagen
Also gut – dann nochmals; leider müsse ich meine alte Mutter morgen zum Arzt bringen….Nun stand es remis: ihr tiefes Leiden gegen meine moralische Verpflichtung, meine alte Mutter zum Arzt bringen zu müssen. Das würde doch nicht durch die von mir erwartete Verbundenheit der Station gegenüber aufzuwiegen sein – dachte ich jedenfalls.
Aber es ging weiter, nun nicht mehr mit Argumenten, sondern nur noch durch Gejammere und Wehklagen.
Nach einigem Hin und Her hat sie dann aber doch aufgelegt: abrupt, im Ton unversöhnlich und hart. Den Einsatz hat dann eine andere Kollegin übernommen; mit der habe ich nachher nochmals gesprochen. Für die war das kein Problem.
“Einspringen” ist ein weiterer Stressor in der Pflege.
In Teams mit hohem Krankenstand ist “Einspringen ” verhasst und wird schnell zum primären Stressfaktor. Leider steht dann mitunter die erkrankte Kollegin am Pranger – anstatt erstmal die Verantwortlichkeiten der Leitungsebene zu benennen. Nachweislich lassen sich beispielsweise durch eine intelligentere, sich genauer an den Bedürfnissen und jeweiligen Belastungsgrenzen der Kolleginnen orientierte Dienstplangestaltung viele Krankheitstage vermeiden.
Schade, daß wir alle zu oft einspringen – die Leitungen könnten das doch auch tun.