CFM-Streik eskaliert / Charité-Tochter verweigert Notdienstvereinbarung mit Gewerkschaften
Die Geschäftsführung der bestreikten Charité-Tochter CFM GmbH weigert sich, eine Notdienstvereinbarung mit den Gewerkschaften ver.di und gkl/dbb abzuschließen. Ver.di bezeichnete die Haltung des Unternehmens, das am Berliner Uniklinikum für Dienstleistungen wie Blut- und Krankentransporte zuständig ist, in einer am Mittwoch verbreiteten Erklärung als »gänzlich unverantwortlich«.
In einer derartigen Vereinbarung wird üblicherweise festgelegt, welche Bereiche der medizinischen Serviceleistungen bei einem Arbeitskampf als Minimalabsicherung weitergeführt werden müssen, um die Gesundheit und das Leben der Patienten nicht zu gefährden. Eine Stellungnahme der CFM war gestern bis Redaktionsschluß nicht zu erhalten. Die 2005 ausgegliederte, teilprivatisierte und seither tariflose Charité Facility Mangement wird seit dem 2. Mai bestreikt. In der ver.di-Erklärung wird gemutmaßt, die CFM-Geschäftsführung weigere sich, eine Vereinbarung mit den Gewerkschaften zu unterzeichnen, um ihre ablehnende Haltung gegenüber den Gewerkschaften zu untermauern und »keinen Tarifvertrag abschließen zu müssen«.
Auch am zehnten Streiktag in Folge gebe es hinsichtlich der Beteiligung der Beschäftigten am Arbeitskampf »Zuwächse«, erklärte ver.di-Sekretär Uwe Ostendorff gegenüber jW. »Es schließen sich nach wie vor immer noch Leute an.« Konkrete Zahlen nannte der Gewerkschafter nicht. Die CFM hätte Schwierigkeiten, ihren Betrieb aufrechtzuerhalten: »Vorgesetzte schieben Kranke durch die Gegend, die Charité muß Krankenschwestern auffordern, Toilettenpapier mitzubringen, LKW-Fahrer werden als Blutboten eingesetzt.« Zudem habe die CFM »jede Menge Leiharbeiter« für Streikbrucharbeiten geordert.
Zwischenerfolg / Tarifverhandlungen an der Charité
Seit Montag wird an der Charité wieder verhandelt. Der einwöchige Erzwingungsstreik hat die Geschäftsleitung von Europas größtem Uniklinikum dazu gezwungen, von ihrer Blockadehaltung abzurücken und ver.di ein Angebot zu unterbreiten, auf dessen Grundlage ein Abschluß möglich erscheint. Dieser Zwischenerfolg hat allerdings einen bitteren Beigeschmack: Für das Serviceunternehmen Charité Facility Management (CFM) verweigert das Management weiterhin kategorisch, überhaupt über einen Tarifvertrag zu verhandeln. Die Senatsparteien SPD und insbesondere Die Linke – die sich im Landtagswahlkampf gern als Kämpfer gegen Lohndumping präsentieren – hätten jetzt Gelegenheit, ihren Worten Taten folgen zu lassen. Schließlich ist die Charité zu 100 Prozent in Landesbesitz und diese wiederum Mehrheitseigentümer der CFM.
Der Arbeitskampf an der Charité – der während der Verhandlungen ausgesetzt, aber noch nicht beendet ist – ist schon jetzt einer der erfolgreichsten Krankenhausstreiks der jüngeren deutschen Geschichte. Anstatt der sonst üblichen Verzettelungstaktik rief ver.di dieses Mal gleich zum Vollstreik an allen drei Campi auf – mit überwältigender Resonanz. Jeden Tag beteiligten sich rund 2000 Beschäftigte an Arbeitsniederlegungen. Die Hälfte der rund 3200 Betten konnten nicht belegt werden, etwa 90 Prozent der Operationen mußten ausfallen. Vor allem letzteres hat die Klinikleitung da getroffen, wo es weh tut: beim Geld.
Die Pfleger und Arbeiter der Charité haben gezeigt, daß auch in einem Krankenhaus ökonomischer Druck erzeugt werden kann und umfassende Arbeitsniederlegungen möglich sind. Für andere Belegschaften und ver.di sollte das eine Ermutigung sein, mit ihren Plänen für eine Tarifauseinandersetzung zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen ernst zu machen.
Es gibt dann natürlich auch solche Stimmen:
„Wenn Ihr Euch für eine Fortsetzung des Streiks entschieden hättet, um auch für die CFM-KollegInnen ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen, wäre die Auseinandersetzung von der Arbeitgeberseite mit härteren Bandagen geführt worden und auch Ihr hättet weiterhin eng zusammen stehen und Eure Kampfmaßnahmen und Aktionen steigern müssen. Es war klar, dass unter den KollegInnen dazu eine Unsicherheit existierte und viele KollegInnen dachten, dass das Arbeitgeberangebot eine akzeptable Basis für Verhandlungen war. Die Streikleitung hatte offensichtlich vor allem die Sorge, dass der Streik in dieser Form nicht aufrechtzuerhalten sei und das Erreichte wieder hätte verloren gehen können…“
Geisterfahrer des Tages: IG BAU
Zwei Wochen haben die Beschäftigten der Charité Facility Management GmbH gestreikt, um einen jahrelangen tariflosen Zustand zu beenden. Ein Zustand, mit dem Berliner Senat, Charité und private Investoren der 2006 ausgegliederten Dienstleistungstochter des Berliner Uniklinikums gut leben konnten: Dumpinglöhne, befristete Verträge – Kostenreduzierung durch »Outsourcing«, wie es gemeint ist.
Jetzt wird verhandelt. Erreicht haben dies die Gewerkschaften ver.di und gkl. Nicht mit im Boot: Die IG BAU, die an der CFM seit Jahren die Gebäudereiniger organisiert und in der Vergangenheit mit vielbeachteten Kampagnen auf skandalöse Zustände aufmerksam gemacht hat.
Um so irritierter waren die Kollegen, als die IG BAU unmittelbar vor Streikbeginn aufrief, sich nicht am Arbeitskampf zu beteiligen. Streikende hätten »arbeitsrechtliche Konsequenzen, bis hin zur Kündigung« zu erwarten, heißt es in einem »Vorsicht Falle! An alle Beschäftigten der CFM« überschriebenen Flugblatt.