Der Deckel muss weg!

Krankenhausbeschäftigte machen miese Arbeitsbedingungen zum Thema. Ver.di plant bundesweite Kampagne

Von Daniel Behruzi

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Der Deckel muß weg.« Unter diesem Motto hatte ver.di 2008 bundesweit zu Protesten mobilisiert, um die Budgetdeckelung und Unterfinanzierung der Krankenhäuser zu bekämpfen. Das hatte teilweise Erfolg. Doch schon drei Jahre später sind die Verbesserungen wieder Makulatur, die Arbeitsbedingungen in den Kliniken noch unerträglicher als zuvor. Daher hat die Gewerkschaft einen Diskussionsprozeß begonnen, an dessen Ende eine Tarifauseinandersetzung um diese Frage stehen könnte.

Am heutigen Dienstag werden mehrere hundert Krankenhausbeschäftigte aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland in Mannheim zusammenkommen. Es ist die letzte von insgesamt fünf Regionalkonferenzen, die in den vergangenen Wochen landauf, landab stattgefunden haben. Dabei wird nicht nur der in vielen Kliniken herrschende Personalmangel thematisiert. Es geht vor allem um Alternativen – und wie diese durchgesetzt werden können. »Neu ist, daß die Forderungen, wie die Belastung durch tarifliche Regelungen begrenzt werden kann, aus dem intensiven Austausch unter den Betroffenen heraus entwickelt werden«, erläuterte Volker Mörbe, Sprecher der ver.di-Vertrauensleute im Klinikum Stuttgart, gegenüber junge Welt. Die Beschäftigten aller Krankenhausträger und aus sämtlichen Berufsgruppen sind dazu eingeladen.

Am Ende des mehrmonatigen Diskussionsprozesses – Beschlüsse sollen auf einer bundesweiten Konferenz am 28. Juni in Kassel gefällt werden – könnte eine Auseinandersetzung um Tarifverträge stehen. Bei Löhnen und Arbeitszeiten ist ver.di zwar grundsätzlich in der Friedenspflicht, die Gestaltung der sonstigen Arbeitsbedingungen ist im Moment aber zum Teil nicht geregelt, könnte daher auch Gegenstand von Arbeitskämpfen bis hin zum Streik sein. Vorstellbar sind Forderungen nach einer Mindestbesetzung von Stationen, individuellen Rechten bei Überlastung oder auch Formen der Arbeitszeitverkürzung zur Entlastung der Beschäftigten. »Da ist vieles möglich, entscheiden müssen das die Betroffenen«, betonte Mörbe.

In jedem Fall muß sich in den Kliniken etwas ändern – und zwar schnell und drastisch. Denn die enorme Arbeitsbelastung führt dazu, daß immer mehr Pflegende selbst krank werden oder den Job aufgeben. Insbesondere in OPs und auf Intensivstationen herrscht ein eklatanter Fachkräftemangel. Zum Teil werben sich die Häuser qualifizierte Mitarbeiter gegenseitig ab, ködern sie mit Zulagen und Vergünstigungen. »Das ist eigentlich eine ideale Situation, um tarifliche Verbesserungen durchzusetzen«, meinte Mörbe und warnt: »Wenn wir das nicht tun, geht uns infolge individueller Regelungen mehr und mehr die Tarifhoheit verloren.«

Bei der Kampagne im Jahr 2008 habe sich gezeigt, daß Verbesserungen eher gemeinsam als im einzelnen Betrieb durchgesetzt werden könnten, so der Gewerkschafter. Allerdings sind die Errungenschaften dieser Aktivitäten – beim Höhepunkt demonstrierten 130000 Krankenhausbeschäftigte in Berlin – schon wieder fast vollständig beseitigt. Von den versprochenen 17000 zusätzlichen Pflegestellen wurden nur einige tausend tatsächlich besetzt. Auch die strukturelle Unterfinanzierung besteht fort. Zwar war seinerzeit beschlossen worden, die Entwicklung der Zuschüsse an einer speziell errechneten Teuerungsrate für Kliniken zu orientieren. Diese wird von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) allerdings nicht veröffentlicht. Statt dessen hat er die Krankenhausfinanzierung wie in der Vergangenheit an der allgemeinen Lohnsteigerung bemessen – und diese noch unterschritten. Obwohl sich die Ausgaben der Kliniken laut ver.di unter Berufung auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes um 3,5 bis 4,0 Prozent erhöht haben, steigen die Budgets 2011 lediglich um 0,9 Prozent. Die Folge ist eine Unterfinanzierung von 2,5 Milliarden Euro, was etwa 50000 Stellen entspricht. Hinzu kommt, daß die Bundesländer oftmals ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, notwendige Baumaßnahmen vollständig zu finanzieren. Viele Häuser kompensieren das mit Mitteln, die eigentlich für die Pflege vorgesehen sind. Allein in Baden-Württemberg werden dadurch etwa 5500 Stellen bei allen Berufsgruppen nicht besetzt.

»Die Situation in den Kliniken muß wieder zum politischen Thema in der Öffentlichkeit werden«, forderte Mörbe. Der Stuttgarter Gewerkschafter ist zuversichtlich, daß die Bereitschaft und Durchsetzungsfähigkeit in den Belegschaften vorhanden ist, um Verbesserungen zu erreichen. Welche das genau sein sollen, wird die ver.di-interne Debatte der kommenden Wochen zeigen.

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