Ganz unten – heute vertrete ich dich selbst!

Feste, halbfeste und feste freie Vertretungen

Unsere betriebsinterne Recherche-Gruppe Ganz unten hat in den letzten Monaten hier im Betrieb versucht, Mitarbeiter*nnen zu finden, die bereit wären, darüber zu sprechen.

Manche profitieren, viele sind betroffen und einigen geht es richtig schlecht. Ihr wisst, um was es geht. Es geht wieder einmal um ein Tabuthema. Um eines dieser Themen, zu dem es viele Gerüchte gibt und niemand Genaues weiß oder wissen möchte. Aber wir haben es geschafft, jemand zu finden der*die bereit ist, mit uns darüber zu sprechen.

Natürlich möchte er*sie es sich weder mit den Kolleg*nnen noch mit den Vorgesetzten oder Kunden hier verderben, so dass wir aus Gründen der Wahrung der informellen Selbstbestimmung folgendes anonymisiertes Interview geführt haben.

Das Interview


A = BR-Mitglied, führt die Betroffenenbefragung durch
Z = Betroffene*r Zeuge*Zeugin des Vertretungswesens bei ad


A: Also,….hallo, äh, bist du da? — Sag mal was….

  • Z: Äh, ja. Hallo? Hallo? Was soll ich denn sagen?

A: Naja, ich weiß nicht. Sag doch mal „Praxischeck“?

  • Z: Äh, Praxis-Check? — Äh, genau, wie ist das eigentlich? – Kann ich – oder muss ich sogar – als halbfeste Vertretung – am teambezogenen Praxischeck teilnehmen?

A: Ähm, ja, das ist auch eine interessante Frage. — Aber vielleicht fangen wir doch lieber erstmal von vorne an. Wenn ich das richtig verstanden habe, bist du seit vier Jahren Assistent*in und arbeitest in der Regel so um die 120 Stunden.

  • Z: Naja, ich würde gerne 120 Stunden arbeiten. Aber häufig komme ich nur auf diese Stundenzahl, wenn ich sehr flexibel und kurzfristig Vertretungsschichten übernehme.

A: Aber du hast schon feste Einsätze?

  • Z: Ja, ich arbeite zur Zeit in einem Einsatz fest. Da kann ich in der Regel fünf 12-Stunden Schichten machen. Und dann bin ich noch in verschiedenen anderen Einsätzen als Vertretung.

A: Als feste Vertretung?

  • Z: Na, das ist halt nicht so klar. Ich meine, wenn man es genau nimmt, dann bin ich auch in meinem festen Einsatz Vertretung. Da mache ich zwar 60 Stunden und die EB und das Team sehen mich als Festen, aber der Assistenznehmer sieht mich, obwohl ich da jetzt seit über einem Jahr arbeite, immer noch als Vertretung.

A: Aber du gehst zu den Teamtreffen und so.

  • Z: Na klar. Das ist auch mehr so eine Geschichte des Assistenznehmers, dass der diesen Statuswechsel irgendwie wohl nicht richtig durch die EB vermittelt bekommen hat. Keine Ahnung. Und dann bin ich in einem zweiten Einsatz feste Vertretung. Da stehe ich eigentlich jeden Monat mit wenigstens zwei Schichten bereits im Sollplan.

A: Aber das ist doch schon ganz ordentlich.

  • Z: Aber wie ist das jetzt genau? Das Südostbüro hat mir mal gesagt, wenn ich drei Monate in Folge in einem Einsatz im Soll-Plan stehe, dann bin ich Fester. Aber im Nordwestbüro hat man mir dann gesagt, nein, ich sei auch auf Wunsch des Teams weiterhin nur eine Art dauerfeste Vertretung.

A: Das heißt?

  • Z: Das heißt: ich nehme zwar auch am Teamtreffen teil, und bekomme meist auch Schichten. Aber immer haben erst mal alle anderen Vorgriffsrecht. Nur wenn sich niemand findet, dann kann ich die Schicht nehmen.

A: Und hast du das mal auf einer Teamsitzung angesprochen?

  • Z: Na klar, aber da haben alle vom Team nur irgendwie betreten zu Boden geschaut. Schließlich hat die EB gesagt, man würde noch mal nachrechnen, wie der Bedarf sei, aber eigentlich wolle das Team ja, so wie es ist, die Stunden voll abdecken. Das hätte man mir ja auch zu Anfang genauso vermittelt.

A: Und welche Schichten kriegst du dann in Regel in diesem Einsatz?

  • Z: Naja, viele Samstage halt. Oder Freitagabende.

A: Aber du bist noch in anderen Einsätzen Vertretung?

  • Z: Ja. In einem Einsatz stehe ich auf so einer Vertretungstelefonliste. Die ist wohl so hierarchisch aufgebaut: liebste Vertretungen zu erst, das sind dann erstmal so ein paar jüngere Studentinnen und dann komme ich irgendwann als fünfter oder sechster. Das wird dann, habe ich gehört, strikt von oben runter telefoniert. Bzw. – und das ist mir auch schon passiert – werde ich angerufen und kriege eine Schicht sozusagen in Aussicht gestellt, falls die beliebtere Vertretung sich nicht doch noch meldet.

A: Und wie oft machst du dann dort Vertretung?

  • Z: In diesem Einsatz konkret: vielleicht einmal im dreiviertel Jahr. – Natürlich musst du dann trotzdem alle Lagerungsvorlieben noch kennen und die Handhabung der neuen Magensonde oder Satellitenanlage des Fernsehers fehlerfrei drauf haben.

A: Hmm — Noch mal zurück zu deiner dauerfesten Vertretung. Hättest du dort denn auch Anspruch auf Ausfallgeld.

  • Z: Nein. Ich bin ja eben niemand, der irgendwann mal irgendeinen Anspruch erwirbt. – Besonders bitter ist es dann, wenn du denkst, dass du vielleicht auf diesem Weg in einen Einsatz als Fester rutschen kannst, weil du da regelmäßig Vertretungsschichten in ordentlichem Umfang machst und dann aber plötzlich irgendein ganz Neuer für die freigewordene Stunden ins Team geholt wird.

A: Das ist dir passiert?

  • Z: Natürlich. Da hat man dann ganz schnell argumentiert, dass das mit der Chemie zwischen mir und dem Assistenznehmer nur so halb gut sei. Außerdem war ich da blöderweise den Monat zuvor im Urlaub gewesen und so hieß es dann, dass ich ja auch keine regelmäßige, sondern nur so eine halbfeste Vertretung sei. Und daraus könnte man ja schon mal gar keine Ansprüche ableiten. Freilich werde ich natürlich auch als halbgare Vetretung wenn’s eng wird, gerne angerufen. Aber wenigstens bin ich nicht auf der rosa Liste gelandet.

A: Was ist denn die rosa Liste?

  • Z: Na ja, manchmal kommste – ohne dass dir das mitgeteilt wird – einfach runter von der Vertretungsliste und du landest dann auf der rosa Liste, weil halt irgendwas mit der Chemie nicht so richtig gefunkt oder zu viel gefunkt hat.

A: Das klingt nicht gut. — Gibt es denn von den Kollegen aus den Teams keinen Rückhalt? Die profitieren doch ohne Ende davon, wenn ihr die Lücken immer wieder als freie feste Vertretung, halbfeste oder auf Dauer verfestigte Vertretungen ausfüllt.

  • Z: Klar, die Teams profitieren. Aber trotzdem wollen sie natürlich nichts von ihren Stunden abgeben. Jeder hängt halt an den Stündchen, die er ja auch braucht. Wenn du da die Situation der Vertretungen ansprichst, herrscht halt das große Schweigen.

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