KAPOVAZ! ARGHHH! Die flexible Teilzeitmasche!

+++ kapazitätsorientierte variable arbeitszeit +++ arbeit auf abruf +++ teilzeit- und befristungsgesetz +++ beschäftigungs-förderungsgesetz 1985 +++ operation 82 +++

Die Gründung von ambulante dienste e.V. und die Operation 82, eine großangelegte Liberalisierung des Arbeitsmarktes, aus dem angelsächsischen Raum auch bekannt unter den Begriffen reaga-nomics oder thatcherism, fallen wahrscheinlich nur zufällig zusammen.

Mit garantierten Arbeitsverhältnissen für Assistent-_innen hat man sich bei ambulante dienste e.V. dennoch schon immer schwer getan. Nach der Phase der „Selbstständigkeit“ entstanden nicht-selbständige Beschäftigungsverhältnisse ohne ein Kernelement von verbindlichen arbeitsvertraglichen Beschäftigungsverhältnissen: der Festlegung der monatlichen Arbeitszeit.

Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit

Es handelt sich dabei um ein aus den Vereinigten Staaten übernommenes Konzept der Teilzeitarbeit, dass erstmals im Beschäftigungsförderungsgesetz von 1985 in § 4 Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall Niederschlag fand.

Das Teilzeit- und Befristungsgesetz löste das Gesetz über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäf-tigungsförderung zum 1. Januar 2001 ab. Besagter Paragraph fand sich nunmehr als § 12 des neu eingeführten Gesetzes unter dem Titel Arbeit auf Abruf wieder.

Historisches Wissen und Einordnung schön und gut. Die Inanspruchnahme dieser gesetzlichen Möglich-keiten durch den Arbeitgeber hat aber ihren Preis. Den bezahlen die Beschäftigten. Auch wenn im Einzelfall die Illusion obsiegen sollte, dass Unverbindlichkeit ein Garant von Freiheit sei. Das ändert nichts am Preis. Über den Wert reden wir dann ein anderes Mal.

Das hypothetische Gerät – Langfristiger Anlass

Eines unserer wichtigen Vorhaben ist die Entwicklung von Arbeitsverträgen mit einem garantierten Arbeits-stundenkontingent als zusätzliche Alternative zu den bestehenden kapazitätsbezogenen Arbeitsverträgen. Selbstverständlich kann und soll damit kein Assistent, der mit den Regelungen seines jetzigen Arbeitsvertrags zufrieden ist, dazu gezwungen werden, diesen aufzugeben. Es geht vielmehr um ein Angebot für all diejenigen, die sich vor Einkommens-schwankungen durch unregelmäßige Schicht-vergabe schützen wollen.

Das gnostische Gerät? Aktueller Anlass

Deutsche Arbeitgeber haben schon 1,5 Millionen Mitarbeitern Teilzeitverträge mit flexiblen Einsatz-zeiten aufgedrückt. Ministerin Andrea Nahles schaut dem Vormarsch der „Arbeit auf Abruf“ tatenlos zu, titelte die Welt am 30.05.2016. Und schließt mit den Worten: Ministerin Nahles will jedoch weder Kapovaz-Verträgen noch Tochtergesellschafts-konstruktionen etwas entgegensetzen. Man sehe keinen Handlungsbedarf, teilt das Ministerium zum Thema Arbeit auf Abruf mit.

Hintergrund ist eine – sogenannte – Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Wir haben die Pressereaktionen jenseits der Welt:

Kapovaz für Arme

Mit »Arbeit auf Abruf« laden Unternehmer Geschäftsrisiken hochflexibel auf die Beschäftigten ab. Die leben unsicher und prekär schreibt die Junge Welt zum Thema.

Die offizielle Bezeichnung der Ausbeutermasche »Arbeit auf Abruf« lautet »kapazitätsorientierte variable Arbeitszeiten«, kurz Kapovaz. Das Modell verschafft dem Unternehmer maximale Flexibilität bei der Arbeitsorganisation und den Lohnabhängigen in aller Regel ein Leben auf Armutsniveau. […] Aktuell gibt es sogar Bestrebungen seitens des Unternehmerlagers, die gesetzlichen Standards bei der Anwendung des Instruments weiter abzusenken. So wird im Positionspapier »Chancen der Digitalisierung« der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) gefordert, die »Reaktionsfähigkeit für kurzfristige Arbeitszeitvolumen« zu erhöhen. Zum Beispiel soll dafür die viertägige Vorankündigungsfrist bei Arbeit auf Abruf gelockert werden.

Weitere Links zum Thema

Das deutsche Jobwunder und seine Kelleretagen Ein ganz mieses Teilzeitmodell

Und ans Herz gelegt sei auch der WSI-Report zu den Arbeitszeiten in Deutschland vom November 2014.

Arbeitszeitflexibilisierung zu Lasten der Beschäftigten

Die Arbeitszeiten der Beschäftigten unterliegen – wie gezeigt – starken Flexibilisierungstendenzen. Treiber dieser Arbeitszeitflexibilität waren in den letzten Jahren vorrangig die betrieblichen Anforderungen.

Die Bedürfnisse und Wünsche der Beschäftigten wurden zumeist nachrangig zur Kenntnis genommen und konnten sich in der betrieblichen Realität kaum Geltung verschaffen.

Dies gilt insbesondere auch für die sogenannte Arbeit auf Abruf – häufig auch KAPOVAZ (kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit) genannt, eine Arbeitszeitform, die unter Verlagerung des wirtschaftlichen Risikos auf den Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin höchste Flexibilität für Arbeitgeber bietet, für Beschäftigte jedoch eine prekäre Beschäftigungsform darstellt

Arbeit auf Abruf (geregelt in § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz) liegt vor, wenn Arbeit-nehmer_innen ihre Arbeitsleistung entsprechend des betrieblichen Arbeitsanfalls, das heißt immer nur bei Bedarf, zu erbringen haben. Ob Arbeitsbedarf vorliegt, entscheidet allein der Arbeitgeber. Er kann kurzfristig die Lage und teilweise auch den Umfang der vom Beschäftigten zu erbringenden wöchent-lichen Arbeitsleistung einseitig festlegen. Der Abrufarbeitnehmer bzw. die Abrufarbeitnehmerin ist immer dann zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm/ihr seinen/ihren Arbeitseinsatz und die zeitliche Lage der Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt…

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