Bye, bye – Stilblüten des AGG!

Altersdiskriminierung – Bundesgerichtshof stärkt Rechte älterer Arbeitnehmer

Mit 62 in die Zwangsrente? Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Schutz vor Diskriminierung auch bei der Vertragsverlängerung eines Geschäftsführers gilt – ein später Erfolg für einen ehemaligen Kölner Klinikchef.

Altersdiskriminierung – BGH stärkt Rechte älterer Arbeitnehmer

Auch Manager mit befristeten Zeitverträgen sind vor einer Diskriminierung aus Altersgründen geschützt. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschieden und damit dem Ex-Geschäftsführer der Kölner Klinik-Gesellschaft recht gegeben. Wird ein Vertrag zum Ende der Laufzeit nicht verlängert, weil der Geschäftsführer dem Aufsichtsrat des Unternehmens zu alt erscheint, so liegt darin ein Verstoß gegen das seit 2006 geltende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Der Betroffene hat Anspruch auf Ersatz des erlittenen wie auch des „immateriellen“ Schadens – also auf eine Art Schmerzensgeld. (Az: II ZR 163/10)

Geklagt hatte der ehemalige medizinische Geschäftsführer der Kliniken der Stadt Köln, Jekabs Leititis. Er war 2004 mit einem Fünfjahresvertrag eingestellt wurden. Als der Vertrag 2009 auslief, lehnte der Aufsichtsrat eine Verlängerung zugunsten des damals 62 Jahre alten Leititis ab und stellte stattdessen einen 41-jährigen Privatdozenten ein. Dagegen wäre eigentlich nichts einzuwenden gewesen, der Aufsichtsrat musste den Vertrag nicht verlängern. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats war aber im Kölner Stadtanzeiger mit dem Satz zitiert worden, man habe den Kläger nicht für weiter beschäftigt, weil die Stadt bei Leitungsämtern eine Altersgrenze von 65 Jahren anstrebe. Das OLG sah darin eine Benachteiligung aus Altersgründen und sprach ihm 36.600 Euro (zwei Monatsgehälter) als „immaterielle“ Entschädigung zu, lehnte aber seine weitergehende Forderung von 110.000 Euro ab.

Der BGH bestätigte das OLG-Urteil im Grundsatz. Der Hinweis des Aufsichtsratsvorsitzenden auf die Altersgrenze sei ein Indiz für eine Altersdiskriminierung. Solange die Klinik-GmbH nicht das Gegenteil beweise, sei damit von einer rechtswidrigen Benachteiligung auszugehen, erläuterte der Senatsvorsitzende Alfred Bergmann bei der Urteilsverkündung. Denn auch eine – mögliche – Ausnahme vom Diskriminierungsverbot liegt laut BGH hier nicht vor.

Die Klinik-GmbH hatte auf den „Umbruch im Gesundheitsmarkt“ und die Notwendigkeit möglichst großer Kontinuität auf der Leitungsebene hingewiesen.

Ein Argument, welches das OLG als zu weitreichend verworfen hatte: Denn mit dem Wunsch nach „Kontinuität“ ließe sich sonst jede Benachteiligung Betroffener im rentennahen Alter rechtfertigen.

Allerdings hat das Kölner Gericht aus Sicht des BGH wahrscheinlich das „Schmerzensgeld“ zu niedrig angesetzt. Laut OLG sollte dabei berücksichtigt werden, wie hoch der Schadensersatz etwa wegen der entgangenen Einkünfte ausfallen würde. Aus Sicht des BGH ist eine solche Verrechnung aber nicht zulässig. Deshalb muss das OLG diesen Aspekt erneut prüfen.

Der Anwalt des Klägers, Thomas von Plehwe, hatte sich in der Verhandlung generell für höhere Entschädigungssummen ausgesprochen, um einen „echten Hemmeffekt“ zu erzielen. Nur dies könne Arbeitgeber vor künftigen Diskriminierungen abhalten. In einem Diskriminierungsfall von 1997 hatte der Europäische Gerichtshof formuliert, die Höhe des Schadenersatzes müsse eine „wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber“ haben. Der Anwalt verwies zudem auf die Rechtsprechung zum Persönlichkeitsschutz vor Medienberichten. Dort ist „abschreckende“ Entschädigungssummen anerkannt.

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