Neujahrsgrüße nach Art des Hauses

…oder wie das Problem der Sicherstellung der Assistenz zur Sicherstellung eines schlechten Betriebsklimas führt

Mittlerweile dürften alle Assistent_innen die Neujahrsbotschaft der Geschäftsführung zur Vermittlungspraxis erhalten haben. Und wieder einmal ist es nur eine Zumutung. Zu Beginn ihres zweiseitigen Schreibens erläutert die Geschäftsführung die Probleme in der Arbeitsvermittlung der Assistenz. Auch wir sehen seit Jahren diese Probleme und ihre Nicht-Bearbeitung zulasten einzelner Beschäftigter aus Organisation und Assistenz.

Nun haben Vorstand und Geschäftsführung offensichtlich beschlossen, dieses Problem anzugehen. Manchem, der nun gehofft hat, die Leitung beschäftige sich endlich mit den untauglichen und arbeitsrechtlich fragwürdigen Arbeitsverträgen, dürfte angesichts ihrer Problemlösungsstrategie die Luft weg geblieben sein.

Neujahrsgrüße nach Art des Hauses

Statt über neue Arbeitsverträge, Arbeitszeitkonten und größere Vermittlungspools zu diskutieren wird das Übel schnell ausgemacht, identifiziert und am Kragen gepackt: es ist

der arbeitsunwillige Assistent.

Und der wird in Zukunft zur Arbeit angewiesen. Die dazu notwendige Hierarchisierung und Vorgesetztenkultur wurden in den letzten Jahren vorbereitend eingeführt. Damit scheint ambulante dienste e.V. endgültig im organisatorischen burnout angekommen.

Zurück zum Ernst der Situation:

  • Uns ist unklar, wer da auf welcher Grundlage anweisen soll und darf. Das wird die Leitung den Beschäftigten auf beiden Seiten des Zauns noch mitteilen müssen.
  • Uns ist unklar, wann die sog. Ausnahmefälle eintreten. Das wird die Leitung noch definieren müssen.
  • Uns ist unklar, worin die arbeitsvertragliche Grundlage für dieses Vorgehen bestehen soll. Auch das wird die Leitung juristisch noch klären wollen müssen.
  • Uns ist unklar, wer, neben den genannten Studenten und Eltern, nach welchen Kriterien von dieser Regelung ausgenommen sein wird. Da wird die Leitung noch nacharbeiten müssen.
  • Uns ist unklar, wie die Leitung gegenüber Assistent_innen mit geringer Monatsstundenzahl das Diskriminierungs- und Benachteiligungsverbot aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz vermeiden will. Da wird sie noch nachlesen müssen.
  • Uns ist unklar, wie die Leitung jenseits der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates Überstunden anordnen will. Wahrscheinlich hat sie einfach Sehnsucht nach dem Arbeitsgericht.

Der Brief macht den Eindruck, als wolle die Leitung alles offen halten, um sich jede Freiheit herauszunehmen. Wir verstehen diese Art der Problembearbeitung nicht. Eines ist uns hingegen sehr deutlich:

Ohne arbeitsvertragliche Zusicherung einer Arbeitsstundenzahl pro Monat will der Arbeitgeber freien Zugriff auf die Arbeitnehmer_innen, d.h. mehr Rechte ohne Gegenleistung an die Beschäftigten.

Die Abhängigkeit der Arbeitnehmer_innen im Arbeitsvertragsverhältnis gegenüber dem Arbeitgeber, die durch die assistenznehmerbezogenen Arbeitsverträge bei ambulante dienste e.V. schon immer verstärkt gegeben war, soll in unzumutbarer Weise zulasten der Assistent_innen verstärkt werden. So etwas kennen wir bisher nur von Kirchen und dubiosen freien Trägern, zu denen anscheinend jetzt auch ambulante dienste e.V. gehören will.

Statt die Mitgestaltungsmöglichkeiten der Beschäftigten und des Betriebsrats zu nutzen, wird gedroht. Der eine oder die andere wird sich unter Druck gesetzt fühlen, Arbeit anzunehmen, die sie oder er eigentlich nicht übernehmen müsste.

So schwer es im einzelnen sein mag, Ihr müsst Euch im Konfliktfall erst einmal durchsetzen und warten, ob die Leitung einen Schritt weiter geht (eine Abmahnung, Kündigung oder was auch immer ausspricht). Erst gegen diese Maßnahme könnt Ihr dann arbeitsrechtlich vorgehen.

Wir unterstützen Euch dabei gerne. Unser starkes Mitbestimmungsrecht bei der Dienstplangestaltung kann dabei auch hilfreich sein.

Gegen diese Art von Neujahrsgrüßen und Absichtserklärungen kann man sich leider nicht schützen. Dass Geschäftsführung und Vorstand plötzlich Rechte aus Euren Arbeitsverträgen ableiten, die ihnen aus unserer Sicht nicht zustehen, wird für sie erst zum Problem, wenn Ihr Euch dagegen wehrt. Wenn es Probleme gibt, kommt zu uns.

Euer Betriebsrat

Betriebsrat c/o ambulante dienste e.V., Gneisenaustr.2a, 10961 Berlin
Tel. 69597518 – Mail: betriebsrat.ambulante_dienste@web.de / Web: www.betriebsrat-ad.de
Sprechzeiten: Montag 13-16 Uhr, Mittwoch 10-13 Uhr, Freitag 10-13 Uhr

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