Streit über DRK-Schwestern am Uni-Klinikum entbrannt

Seit 1913 pflegen DRK-Schwestern am Uniklinikum. Nun wettert der Personalrat, spricht von „entrechteten Mitarbeitern“. Auch in Heidhausen hat die Schwesternschaft Fuß gefasst und stellt Personal. Dem Betriebsrat passt das nicht. Ein Streit ist entbrannt.

Streit an Uni-Klinikum entbrannt

Am Essener Universitätsklinikum herrscht großer Streit üb­er eine zeitgemäße Personalpolitik. Alexan­dra Willer, Vorsitzende des Personalrats, spricht von „entrechteten Mitarbeitern“. Der Vorstandschef und Ärztliche Direktor Professor Eckhard Nagel kontert: „Rechtlos arbeitet überhaupt niemand bei uns und wird es in Zukunft nicht tun.“ Doch worum geht es überhaupt? Um ei­ne lange Tradition, fehlende Arbeits- und Tarifverträge und um das pflegende Personal: Der Zwist geht zurück auf das Jahr 1913, als die DRK-Schwesternschaft Essen gegründet wurde, kurz nachdem das 1909 als „Städtische Krankenanstalt“ erbaute Klinikum seinen Betrieb aufnahm. Damals wurde ein Vertrag zwischen den Schwestern und der Klinik geschlossen, ei­ner, der es den Schwestern ermöglichte, im Spital zu arbeiten – in ih­rer Rolle als Vereins-Mitglieder, nicht als Arbeitnehmer.

Betroffen sind 1300 Kräfte

Dieser Gestellungsvertrag ist – mit wenigen Änderungen – bis heute gültig. Als es für die Schwestern schwieriger wurde, neue Mitglieder zu finden, kam ihnen das Klinikum entgegen: Wer ab 2005 in der Pflege tätig werden wollte, musste bei ihnen Mitglied werden; mittlerweile gilt dies auch für Männer. Betroffen sind 1300 Kräfte, die nicht bei der Uniklinik, sondern bei den Schwestern angestellt sind – ein Gros der Pflegekräfte der insgesamt 5300 Personen starken Belegschaft des Klinikums. Zusammen mit 280 Mitar­beitern, die in den 1970er Jahren wegen Mitgliederschwunds bei den Schwestern angestellt wurden, den im Klinikum arbeitenden 1300 Mitgliedern und den vor 2005 vom Klinikum angestellten Pflegenden gibt es drei verschiedene Beschäftigungsverhältnisse. „Die Stimmung wird maßgeblich von der Ungleichbehandlung geprägt und ist nicht gut“, betont Willer.

Denn für die Mitglieder gilt bei Auseinandersetzungen das Vereins- und nicht das Arbeitsrecht. Vorgesetzte ist die DRK-Oberin und nicht der Klinikchef. Sie haben keine Arbeitsverträge, nur ei­ne Satzung und Ordnungen. Streiken ist tabu Dafür sei die Bezahlung für alle identisch. „Tarifverträge haben keinen Bestand für sie, ein Traum für jeden Arbeitgeber. Das machen wir nicht länger mit“, sagt Willer. Praxis an der Krankenpflegeschule der Klinik sei es, männlichen Lehrlingen ei­nen Ausbildungsvertrag zu geben und weiblichen eine Probemitgliedschaft. Wer üb­ernommen werden will, müsse, ob Mann oder Frau, Mitglied der Schwestern werden. Ab­er vielleicht nicht mehr lange: Eine Änderung im Gesetz kommt ihnen zu Gute.

Bis dato haben die Arbeitsgerichte den Schwesternschaften besondere Rechte zugestanden, weil sie zwischen der gewerblichen und gemeinnützigen Überlassung von Arbeitnehmern unterschieden. Silke Schmalz, Oberin der Essener Schwestern und Vorstandschefin, beruft sich dabei auf ein Urteil von 1954, das dau­erhafte Gestellung ermöglichte. Eine im April im Bundestag verabschiedete Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes kippt dies: Es verbietet Dauerüberlassungen. Ebenso ist es nicht mehr von Belang, ob Schwestern od­er Mitglieder gemeinnützig od­er gewerblich überstellt werden.

Bedeutet dies über kurz od­er lang das Ende der Schwesternschaft? „Im Moment sind wir sehr gut aufgestellt“, sagt Oberin Schmalz, die das neue Gesetz anders auslegt. „Ich sehe keinen Grund darin, einen po­sitiven Verlauf zu verändern, das bringt Unruhe.“ Die Schwesternschaft sei ein traditionsreicher Verein, der Personalrat habe nur eine sehr kurzfristige Interessenspolitik im Sinn. Schmalz: „Mit den aktuellen Störungen schrecken wir Bewerber ab.“ Denn was nur wenige wissen: Bearbeitet werden Bewerbungen für Pflegeberufe, die ans Klinikum gehen, von den Schwestern „Das wird an uns weiter gereicht. Wir machen die Erstauswahl und entscheiden mit dem Klinikum, wer eingestellt wird“, so die Oberin.

„Ganz normale Mitarbeiter“

Momentan befinden sich alle Beteiligten in einem Abstimmungsprozess, der jedoch festgefahren scheint. „Ich für meinen Teil kann sagen, dass es bei den Mitarbeitern, mit de­nen ich gesprochen habe, generell Zufriedenheit gibt“, betont Vorstandschef Nagel. Die Mitgliedschaft oder der Gestellungsvertrag würden nicht als Probleme gesehen.

Nagel macht keine Unterschiede in seiner Belegschaft: „Mitglieder, die bei uns tätig sind, sind für uns ganz normale Mitarbeiter.“ Er könne Argumente nachvollziehen, die Änderungswünsche formulieren. Nagel: „Mir ist es wichtig, die Wogen zu glätten.“ Das Klinikum profitiere von der Zusammenarbeit mit den Schwestern. „Es ist eine sinnvolle Kooperation, eine, die für uns wertvoll und hilfreich ist“, so Nagel, „dementsprechend sind wir in Gesprächen, wie diese Kooperation sinnvoll in Zukunft weiter geführt werden kann.“ Im Januar will der Klinikum-Vorstand über die Wiedereinführung der Wahlfreiheit beraten.

„Die Ruhrlandklinik knacken“

Ähnlich wie am Uniklinikum gibt es auch an der Ruhrlandklinik, seit zwei Jahren 100-prozentige Tochter des Klinikums, was das Pflegepersonal angeht. Dort haben die DRK-Schwestern 2010 Fuß gefasst. Die Geschäftsführung der Klinik schloss einen Gestellungsvertrag mit ihnen, berichtet Hans Wohland: „Wir befürchten, dass sich eine ähnliche Entwicklung wie im Uniklinikum bei uns vollzieht. Daher haben wir uns seit Anfang an dagegen positioniert.“ Für den Betriebsratschef ist das Leiharbeit, obwohl die Schwestern laut Gesetz zur Arbeitnehmerüberlassung gar keine Erlaubnis hätten. Wohland: „Es laufen derzeit mehrere Klagen vor dem Essener und vor dem Landesarbeitsgericht.“

Bevor die Schwestern Mitglieder an die Klinik entsenden dürfen, muss dem Betriebsrat die Einstellung vorgelegt werden. Und er muss ihr zustimmen. „Formal haben wir danach nichts mehr mit ihnen zu tun“, sagt Woh­land. DRK-Schwestern dürfen den Betriebsrat nicht wählen, er sie nicht vertreten. „Wir wollen Mitarbeiter mit Arbeitsverträgen und Tarifbindung“, fordert der Betriebsrat. Die Entwicklung sehe aber anders aus. Wohland: „Die Schwesternschaft versucht Schlüsselpositionen zu besetzen, um die Ruhrlandklinik zu knacken.“ So sei mit Pflegemanagerin Silvia Kochnik ebenso wie am Klinikum mit Pflegedirektorin Irene Maier eine „200 prozentige Rot-Kreuz-Schwester“ in der Leitung. Weitere Bereichsleiter und Teammanager aus DRK-Kreisen sollen, so Wohland, in Kürze folgen.

Als „Skandal“ bezeichnet er das Vorgehen der Schwesternschaft, Bewerbern bei der Ruhlandklinik zu sagen, sie müssten Mitglied werden, um in der Klinik ar­beiten zu dürfen, obwohl dies bisher nicht notwendig ist. Wohland: „Einige sind sofort wieder ausgetreten, als sie hörten, dass es bei uns noch ganz normale Ar­beitsverträge gibt. Sie haben sich gegen die aufgedrängte Zwangsmitgliedschaft ausgesprochen.“

Essens Schwestern hätten Bammel, das es ihrem Verein am Ende so ergeht wie der Düsseldorfer Related content Schwesternschaft. Wohland: „Sie musste sich auflösen, da ihre Mitglieder im Düsseldorfer Klinikum echte Arbeitsverträge bekommen haben und es für sie keinen Sinn mehr gab, weiter Mitglied zu bleiben.“ Davon sei man, so die Oberin der Schwestern in Essen, Silke Schmalz, „noch weit entfernt.“

Über die DRK-Schwesternschaft

Wie alle Gliederungen und Einrichtungen der weltumspannenden Rotkreuzbewegungen ist die DRK-Schwesternschaft mit ihren Mitgliedern verpflichtet, die 1965 proklamierten Grundsätze des Roten Kreuzes in ihrem Handeln zu beachten. Die aus diesen Grundsätzen abgeleiteten berufsethischen Grundsätze der DRK-Schwesternschaften bilden für Rotkreuzschwestern das ethische Fundament ihres beruflichen Handelns: Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität, Freiwilligkeit, Unabhängigkeit, Einheit und Universalität.

Pascal Hesse

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