"Besser, aber noch nicht gut"

Der Senat erhöht die Vergütungssätze für Assistenz (BR Newsletter 52)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

seit über einem Jahrzehnt gibt es 2011 erstmals wieder eine Erhöhung der Stundensätze in der Behindertenassistenz. Nach Jahren ausgebliebener sozialpolitischer Forderungen durch Geschäftsführung und Vorstand (bei ambulante dienste e.V. wie bei anderen Trägern) haben die Beschäftigten angefangen, ihre Interessen selbst zu artikulieren.

Bis heute wissen die zuständigen sozialpolitischen Fachpolitiker der Parteien kaum etwas über das Konzept von Assistenz. Die von uns organisierte Podiumsdiskussion im Herbst 2010 machte dies genauso deutlich wie das Fachgespräch zum Thema im Mai 2011 im Berliner Abgeordnetenhaus.

Dass der Senat jetzt tatsächlich die Entgelte erhöht, ist ein Ergebnis der vielfältigen beharrlichen Proteste, öffentlichkeitswirksamer Aktionen und Diskussionen, die Betriebsrat, Aktionsgruppen und Beschäftigte in den letzten Monaten organisiert und durchgeführt haben: Kundgebungen, Podiumsdiskussionen, Poster- und Postkartenaktionen, Senatsbesetzungen und vieles mehr.

Eine Protestkundgebung vor der Senatsverwaltung und eine Verhandlungsrunde weiter, zu der wir schließlich eingeladen wurden, kam es bereits zu einer Annäherung der Verhandlungsparteien. Diese beinhaltete eine Abschaffung der Degressionsstufen und sah eine Anhebung der Entgelte von jetzt durchschnittlich 19,03 € pro geleisteter Assistenzstunde auf 23.21 € vor.

Unter dem Eindruck der Maserati-Affäre, der unsachgemäßen Verwendung von Sozialgeldern, war der Senatsverwaltung besonders daran gelegen, dass diese Entgelterhöhung auch tatsächlich bei den Beschäftigten ankommt. Aus diesem Grund sollen die Anbieter bis zum 1.10.2011 über eine Betriebsvereinbarung zur Entgeltsystematik mit ihren Betriebsräten nachweisen, dass die erhöhten Entgelte für eine Entlohnung in Anlehnung an den Tarifvertrag-Länder (TV-L 2010) genutzt werden.

Dieser Kompromissvorschlag wurde dann dem Finanzsenator zur Bewilligung bis spätestens Mitte Juli vorgelegt. Während nun von der Leitung bis hin zu verschiedenen Beschäftigtengruppen Lorbeeren eingesammelt und Wunschzettel verteilt wurden, blieb der Betriebsrat vorsichtig. Nachdem Ende Juli immer noch kein Bescheid des Finanzsenats vorlag, blieb es erneut der Initiative des Betriebsrats überlassen, beim Senat nachzufragen, der das Ergebnis dann offiziell übermittelte:

Entgegen der Vorlage der Sozialverwaltung weist das vom Finanzsenat bewilligte Modell deutliche Einschnitte auf. Statt einer sofortigen Anhebung der Entgelte auf 23,21 € pro geleisteter Assistenzstunde wird dies nur stufenweise erreicht. Ab dem 1.10.2011 erfolgt erstmal nur eine Erhöhung von 19,03 € auf 21,83 € pro Assistenzstunde, um erst in einem zweiten Schritt ab dem 1.1.2014 die vorgeschlagenen 23,21 € zu erreichen. D.h. für die nächsten 2 Jahre keine Erhöhung um 4,18 € sondern nur um 2,80 €. Die Wirtschaftler im Betriebsrat meinen aber, dass sich auch mit dieser Summe mehr oder weniger Vernünftiges anstellen lässt. Wie Geschäftsführungen und Senat damit aber Tariflöhne finanzieren wollen, macht uns schon neugierig.

Dennoch: ein Senat unter Spardiktat, der jede zusätzlich ausgegebene Million als wegweisende Zukunftsinvestition feiert, steckt nun einen nicht unerheblichen Betrag in die Behindertenassistenz. Aus realpolitischer Perspektive, d.h. unter den derzeitigen haushaltspolitischen Bedingungen in Berlin, und unter Berücksichtigung bislang nur begrenzter Mobilisierungsfähigkeit der Belegschaften im sozialen Sektor, ist dieses Ergebnis ein gewisser Erfolg.

Unter der Vorgabe wirklicher Lohngerechtigkeit und unter der Perspektive einer Anlehnung an den TV-L, bleibt noch einiges zu tun. Hier muss sich zeigen, wie weit uns die Kampagne von ver.di um einen Tarifvertrag in den nächsten Monaten bringen kann.

Auch sagt die nun erreichte Erhöhung der Vergütungssätze noch nichts darüber aus, was davon letztendlich in die Löhne bei ad gesteckt wird, also tatsächlich bei uns ankommt. Hier ist die GF verpflichtet mit dem Betriebsrat bis zum 1.10.2011 zu einer Betriebsvereinbarung über eine neue Entgeltsystematik zu gelangen. Die Prioritäten des Betriebsrates im Rahmen dieser nun beginnenden Verhandlungen liegen deutlich auf einer Angleichung der 2008 abgesenkten Löhne sowie auf einer grundsätzlichen Anhebung des Lohnniveaus.

Über einen ersten Zwischenstand dieser Verhandlungen könnt ihr Euch auf der kommenden Betriebsversammlung informieren:

Der Kuchen wird verteilt – bringt Würstchen mit !!

Betriebsversammlung und Grillfest auf der Dachterrasse im Mehringhof:

23.08. 16:00-18:30 und 25.08. 17:00-19:30.

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