Auftakt mit Dissonanz _ Streik der Charité-Beschäftigten

Charité-Beschäftigte treten in unbefristeten Streik. Ver.di: Beteiligung »optimal«. Kritische Situation bei der teilprivatisierten Service-Tochter CFM (Jörn Boewe)

Mindestens 2000 Beschäftigte des Berliner Uniklinikums Charité sind am Montag in einen unbefristeten Streik getreten. Zu dem Ausstand, von dem alle drei Standorte – in Berlin-Mitte, Wedding und Steglitz – betroffen sind, haben die Gewerkschaften ver.di und dbb Tarifunion aufgerufen. Sie fordern eine Gehaltserhöhung um 300 Euro für alle, was etwa der Angleichung ans Niveau des Flächentarifvertrages entspricht.

Vor dem Bettenhaus in der Luisenstraße versammelten sich am Morgen mehrere hundert Beschäftigte aller Berufsgruppen mit Ausnahme der Ärzte. Deren Berufsgewerkschaft Marburger Bund befindet sich derzeit in der Friedenspflicht.

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61 der 70 OP-Säle wurden komplett bestreikt, für neun hatten die Gewerkschaften Notdienstvereinbarungen abgeschlossen. Ver.di-Betriebsgruppenvorsitzender Carsten Becker wertete den Streikauftakt im Gespräch mit jW als »optimal«. Fünf von 200 Stationen hätten komplett geschlossen werden müssen, in den meisten anderen Bereichen sei die Versorgung »auf Nachtdienstniveau«. Die Polikliniken in Mitte waren durch den Ausstand ebenfalls lahmgelegt.

Auch die teilprivatisierte Dienstleistungstochter Charité Facility Management GmbH (CFM) wird bestreikt. Hier beteiligten sich augenscheinlich aber nur Beschäftigte, die noch alte Arbeitsverträge mit der Charité haben. Der größere Teil, rund zwei Drittel der 2100 Mitarbeiter, sind direkt bei der 2006 ausgegliederten Tochter angestellt – nahezu ausnahmslos mit befristeten Verträgen. »Da hat sich nicht ein einziger getraut herauszukommen«, so eine Küchenmitarbeiterin gegenüber jW. Für Informationen, nach denen die CFM am Montag hundert Leiharbeiter als Streikbrecher einsetzen wollte, gab es zunächst keine Bestätigung.

Die ohnehin komplizierte Situation bei der CFM, mit der tiefen Spaltung der Belegschaft in Beschäftigte erster und zweiter Klasse, wird verschärft, da die drei dort vertreten Gewerkschaften ver.di, dbb und IG BAU derzeit nicht an einem Strang ziehen. Die IG BAU, die die Gebäudereiniger organisiert, hatte ihren Mitgliedern in einem Flugblatt sogar abgeraten, sich am Arbeitskampf zu beteiligen. Offenbar schätzt ihr Bundesvorstand das rechtliche Risiko als zu hoch ein. Hintergrund ist ein Formfehler: Seit Jahren fordern die drei Gewerkschaften die CFM-Geschäftsführung zu Gesprächen über die Beendigung des tariflosen Zustands auf, haben es aber versäumt, das Unternehmen offiziell zur Aufnahme von Tarifverhandlungen aufzufordern. Nach Ansicht der IG BAU könnte die CFM Beschäftigte und Gewerkschaften im Falle eines Arbeitskampfs mit Schadenersatzforderungen überziehen. Gerüchten, die IG BAU habe die Beschäftigten dazu aufgerufen, den Streik der anderen Gewerkschaften zu unterlaufen, wies der stellvertetende IG-BAU-Regionalleiter Dirk Kuske am Montag auf jW-Nachfrage entschieden zurück: »Wir haben unsere Mitglieder nicht dazu aufgerufen, ver.di nicht zu unterstützen.« Jetzt wolle man in enger Absprache mit den anderen Gewerkschaften die rechtlichen Voraussetzungen für einen Arbeitskampf so schnell wie möglich schaffen. Die augenblickliche Situation sei »ausgesprochen ärgerlich«, so Kuske.

Weitere Links (Beispiele):

Pflegerstreik_legt_OP_Saele_lahm

Besuch_am_Krankenbett

Kämpfe_Charité_auf_Labournet

Sonderseite_von_ver.di_zum_Streik

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